Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
Vom Netzwerk:
einen Augenblick ernst und verwundert an. Dann fing er ihn auf, als er plötzlich schwankte, hob ihn sanft hoch und trug ihn zu dem Bett, wo er ihn niederlegte und warm zudeckte. Frodo fiel sofort in tiefen Schlaf. Ein zweites Bett wurde neben ihn gestellt für seinen Diener.
    Sam zögerte einen Augenblick, dann verbeugte er sich sehr tief. »Gute Nacht, Heermeister, mein Herr«, sagte er. »Ihr habt die Gelegenheit ergriffen.«
    »Habe ich das getan?«, fragte Faramir.
    »Ja, Herr, und Euren Wert bewiesen: den höchsten.«
    Faramir lächelte. »Ein vorwitziger Diener, Meister Samweis. Aber nein, das Lob der Lobenswerten ist der höchste Lohn. Dennoch gab es hier nichts zu loben. Ich war weder in Versuchung noch hatte ich den Wunsch, etwas anderes zu tun, als was ich getan habe.«
    »Nun ja, Herr«, sagte Sam, »Ihr habt gesagt, mein Herr habe etwas Elbenhaftes an sich, und das war gut und richtig. Aber ich kann dies sagen: Auch Ihr habt etwas an Euch, Herr, das mich – nun ja, an Gandalf, den Zauberer, erinnert.«
    »Vielleicht«, sagte Faramir. »Vielleicht erkennst du von ferne etwas von Númenor. Gute Nacht!«

SECHSTES KAPITEL
    DER VERBOTENE WEIHER
    A ls Frodo aufwachte, beugte sich Faramir über ihn. Für eine Sekunde packten ihn die alten Ängste, und er setzte sich auf und schreckte zurück.
    »Es gibt nichts zu fürchten«, sagte Faramir.
    »Ist es schon Morgen?«, fragte Frodo gähnend.
    »Noch nicht, aber die Nacht nähert sich ihrem Ende, und der Vollmond geht unter. Wollt Ihr kommen und es sehen? Auch geht es um etwas, wozu ich Euren Rat haben möchte. Es tut mir leid, Euch aus dem Schlaf zu wecken, aber wollt Ihr kommen?«
    »Ich komme«, sagte Frodo und stand auf. Er fröstelte ein wenig, als er die Decke und die warmen Felle verließ. Es kam ihm kalt vor in der feuerlosen Höhle. Das Rauschen des Wassers war laut in der Stille. Er zog seinen Mantel an und folgte Faramir.
    Sam wurde durch ein Gefühl der Vorsicht plötzlich wach, sah zuerst das leere Bett seines Herrn und sprang auf. Dann sah er zwei dunkle Gestalten, Frodo und einen Menschen, unter dem Torbogen stehen, der jetzt von einem blassen weißen Licht erfüllt war. Er eilte ihnen nach, an Reihen von Menschen vorbei, die auf Matratzen entlang der Wand schliefen. Als er zum Höhlenausgang kam, sah er, dass der Vorhang jetzt ein blendender Schleier aus Seide und Perlen und Silberfäden geworden war: schmelzende Eiszapfen aus Mondschein. Aber er hielt nicht inne, um es zu bewundern, sondern wandte sich um und folgte seinem Herrn durch die schmale Tür in der Höhlenwand.
    Zuerst gingen sie einen schwarzen Gang entlang, dann viele feuchte Stufen hinauf, und so kamen sie zu einem kleinen Treppenabsatz; er war in den Fels hineingehauen und von dem blassen Himmel erleuchtet, der hoch über einem langen, tiefen Schacht schimmerte. Von hier aus führten zwei Treppenläufe weiter: Der eine schien zu dem hohen Ufer des Bachs zu gehen; der andere nach links. Diesem folgten sie. Er führte in Spiralen nach oben wie eine Turmtreppe.
    Endlich kamen sie aus der steinernen Dunkelheit heraus und schauten sich um. Sie standen auf einem breiten, flachen Felsen ohne Geländer oder Brüstung. Zu ihrer Rechten, im Osten, sprang der Wildbach über viele Felsenstufen, strömte dann durch ein steiles Bett und füllte eine glattgehauene Rinne mit dunklen, schaumgesprenkelten Wassermassen. Fast zu ihren Füßen stürzte er wirbelnd und brodelnd jäh über den Grat in einen Abgrund, derzu ihrer Linken gähnte. Nahe am Rand stand dort schweigend ein Mann und blickte hinunter. Frodo wandte sich um und beobachtete, wie die geschmeidigen Wasserarme sich krümmten und hinabsprangen. Dann hob er die Augen und blickte in die Ferne. Die Welt war still und kalt, als ob die Morgendämmerung nahe sei. Weit im Westen ging der Vollmond unter, rund und weiß. Bleiche Nebel schimmerten in dem großen Tal unten: eine breite Kluft voll silbrigem Dunst, unter dem die kühlen Nachtwasser des Anduin dahinströmten. Jenseits lauerte eine schwarze Dunkelheit, und in ihr funkelten hier und dort, kalt, scharf, fern und weiß wie Zähne von Gespenstern, die Gipfel des Ered Nimrais, des Weißen Gebirges im Reiche Gondor, die Spitzen mit ewigem Schnee bedeckt.
    Eine Weile stand Frodo dort auf dem hohen Fels, und ein Schauer überrann ihn, als er sich fragte, ob irgendwo in der Weite der nächtlichen Lande seine alten Gefährten wanderten oder schliefen oder tot dalagen, in ein Leichentuch aus

Weitere Kostenlose Bücher