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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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Kopf, der in die Nacht hinausschielte. Einen Augenblick standen die drei Gefährten erschreckt da und starrten beklommen hinauf. Gollum war der Erste, der sich fasste. Wieder zerrte er drängend an ihren Mänteln, aber er sprach kein Wort. Fast zog er sie mit sich. Jeder Schritt war widerstrebend, und die Zeit schien sich zu verlangsamen, sodass zwischen dem Anheben und dem Aufsetzen eines Fußes Minuten des Widerwillens vergingen.
    So kamen sie langsam zu der weißen Brücke. Hier überquerte die schwach schimmernde Straße den Bach in der Mitte des Tals und zog sich in Windungen hinauf zum Tor der Stadt: eine schwarze Öffnung im äußeren Ring der nördlichen Wälle. Breite Niederungen erstreckten sich auf beiden Ufern, schattige Wiesen voll blasser weißer Blumen. Leuchtend waren auch sie, schön und dennoch von schauerlicher Form, wie Wahngebilde in einem unruhigen Traum; und sie strömten einen schwachen, widerwärtigen Leichengeruch aus; ein Hauch von Fäulnis lag in der Luft. Von Wiese zu Wiese sprang die Brücke. Steinbilder standen am Brückenkopf, gekonnt in menschlicher und tierischer Gestalt gemeißelt, aber alle waren entstellt und ekelhaft. Das Wasser, das unten floss, war still, aber es dampfte, doch der Dampf, der aufstieg und um die Brücke wogte und wallte, war tödlich kalt. Frodo spürte, wie seine Sinne sich vernebelten und sein Verstand sich verdunkelte. Dann plötzlich, als ob eine andere Kraft als sein eigener Wille am Werk sei, begann er zu eilen, vorwärtszutaumeln, die Hände tastend ausgestreckt, sein Kopf von einer Seite zur anderen baumelnd. Sam und Gollum rannten ihm beide nach. Sam fing seinen Herrn in den Armen auf, als er stolperte und gerade auf der Schwelle der Brücke fast gefallen wäre.
    »Nicht da lang! Nein, nicht da lang!«, flüsterte Gollum, aber der Atem zwischen seinen Zähnen schien die drückende Stille wie ein Pfiff zu zerreißen, und er kauerte sich voll Entsetzen auf den Boden.
    »Halt an, Herr Frodo!«, sagte Sam Frodo ins Ohr. »Komm zurück! Nicht da lang. Gollum sagt nein, und diesmal bin ich seiner Meinung.«
    Frodo fuhr sich mit der Hand über die Stirn und zwang sich, den Blick von der Stadt auf dem Berg abzuwenden. Der leuchtende Turm zog ihn in seinen Bann, und er kämpfte gegen den Wunsch, der ihn gepackt hatte, die schimmernde Straße bis zu dem Tor hinaufzulaufen. Mit Mühe drehte er sich schließlich um, und dabei spürte er, wie der Ring ihm Widerstand leistete und an der Kette zog, die er um den Hals trug; auch schienen seine Augen, als er fortschaute, für einen Augenblick blind geworden zu sein. Die Dunkelheit vor ihm war undurchdringlich.
    Gollum, der wie ein erschrecktes Tier auf dem Boden kroch, verschwand schon in der Düsternis. Sam stützte und führte seinen taumelnden Herrn und folgte ihm, so rasch er konnte. Nicht weit vom diesseitigen Ufer des Bachs war ein Loch in der Steinmauer neben der Straße. Dort gingen sie hindurch, und Sam sah, dass sie auf einem schmalen Pfad waren, der wie die Hauptstraße zuerst schwach schimmerte. Doch nachdem er die Wiesen der tödlichen Blumen hinter sich gelassen hatte, verblasste er und wurde dunkel, während er sich im Zickzack an den nördlichen Hängen des Tals hinaufwand.
    Auf diesem Pfad schleppten sich die Hobbits voran; sie gingen nebeneinander und konnten Gollum vor sich nicht sehen, außer wenn er sich umdrehte und ihnen winkte. Dann schimmerten seine Augen grünlich weiß; vielleicht spiegelten sie den ungesunden Morgul-Schein wider oder waren entflammt von einer entsprechenden inneren Stimmung. Frodo und Sam waren sich dieses tödlichen Glanzes und der dunklen Augenhöhlen immer bewusst. Ständig blickten sie ängstlich über die Schulter und zwangen ihren Blick immer wieder auf den dunkel werdenden Pfad. Langsam schleppten sie sich voran. Als sie über den Gestank und die Dämpfe des giftigen Bachs hinauskamen, wurde ihr Atem leichter und ihre Köpfe wurden klarer; aber jetzt waren ihre Glieder todmüde, als ob sie die ganze Nacht schwer beladen gelaufen oder lange gegen eine starke Strömung geschwommen wären. Schließlich konnten sie nicht weitergehen ohne eine Unterbrechung.
    Frodo blieb stehen und setzte sich auf einen Stein. Sie hatten jetzt den Gipfel eines kahlen, felsigen Höckers erklommen. Vor ihnen lag eine Einsenkung in der Talseite, und um deren oberen Rand herum ging der Pfad weiter, und er war nicht mehr als ein breites Gesims mit einem Abgrund zur Rechten; über die steile

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