Der Herr der Ringe
Doch was ich an Diensten leisten kann, will ich anbieten, um meine Schuld abzutragen.« Er zerrte seinen grauen Mantel beiseite, zog sein kleines Schwert und legte es Denethor zu Füßen.
Ein bleiches Lächeln wie der matte Schimmer der kalten Sonne eines Winterabends zog über das Gesicht des alten Mannes; doch er senkte den Kopf, streckte die Hand aus und legte die Bruchstücke des Horns beiseite. »Gib mir die Waffe!«, sagte er.
Pippin hob sie auf und reichte ihm das Heft. »Woher kam sie?«, fragte Denethor. »Viele, viele Jahre liegen auf ihr. Gewiss ist das eine Klinge, die in grauer Vorzeit von unserem eigenen Geschlecht im Norden geschmiedet wurde?«
»Sie kam aus den Hügelgräbern, die an den Grenzen meines Landes liegen«, sagte Pippin. »Doch jetzt hausen dort nur böse Unholde, und nicht gern möchte ich mehr von ihnen erzählen.«
»Ich sehe, dass seltsame Geschichten um dich verwoben sind«, sagte Denethor, »und wieder einmal zeigt sich, dass das Äußere eines Mannes – oder eines Halblings – täuschen mag. Ich nehme deine Dienste an. Denn du lässt dich von Worten nicht einschüchtern; und du führst eine höfliche Sprache, obwohl ihr Klang uns im Süden seltsam erscheinen mag. Und in den kommenden Tagen werden wir alle höflichen Leute brauchen, seien sie groß oder klein. Leiste mir jetzt den Eid!«
»Nimm das Heft«, sagte Gandalf, »und sprich dem Herrn nach, wenn du dazu entschlossen bist.«
»Das bin ich«, sagte Pippin.
Der alte Mann legte das Schwert auf seinen Schoß, und Pippin berührte das Heft mit der Hand und sprach Denethor langsam nach:
»Hier gelobe ich Lehnstreue und Dienst für Gondor und für den Herrn und Truchsess des Reiches, zu sprechen und zu schweigen, zu tun und geschehen zu lassen, zu kommen und zu gehen, in der Not und in guten Zeiten, im Frieden oder Krieg, im Leben oder Sterben, von dieser Stunde an, bis mein Herr mich freigibt, der Tod mich nimmt oder die Welt endet. So sage ich, Peregrin, Paladins Sohn, aus dem Auenland der Halblinge.«
»Und das höre ich, Denethor, Ecthelions Sohn, Herr von Gondor, Truchsess des Hohen Königs, und ich werde es nicht vergessen noch versäumen, das zu vergelten, was gegeben wird: Lehnstreue mit Liebe, Tapferkeit mit Ehre, Eidbruch mit Vergeltung.« Dann erhielt Pippin sein Schwert zurück und steckte es in die Scheide.
»Und nun«, sagte Denethor, »mein erster Befehl an dich: Sprich und schweige nicht! Erzähle mir die ganze Geschichte und rufe dir alles, was du von Boromir, meinem Sohn, weißt, ins Gedächtnis zurück. Setze dich nun und beginne!« Während er sprach, schlug er auf ein kleines silbernes Schallbecken, das neben seinem Schemel stand, und sofort kamen Diener. Pippin sah dann, dass sie unbemerkt in Alkoven zu beiden Seiten der Tür gestanden hatten, als Gandalf und er hereingekommen waren.
»Bringt Wein und Speise und Stühle für die Gäste«, sagte Denethor, »und sorgt dafür, dass wir eine Stunde lang von niemandem gestört werden.
Das ist alles, was ich erübrigen kann, denn vieles andere ist zu bedenken«, sagte er zu Gandalf. »Vieles, was wichtiger ist, wie es scheinen mag, und doch für mich weniger dringend. Aber vielleicht können wir am Ende des Tages wieder miteinander reden.«
»Und früher, will ich hoffen«, sagte Gandalf. »Denn ich bin nicht von Isengart hierher geritten, einhundertfünfzig Wegstunden, mit Windeseile, nur um Euch einen kleinen Krieger zu bringen, wie höflich er auch sein mag. Bedeutet es Euch nichts, dass Théoden eine große Schlacht geschlagen hat, dass Isengart zerstört ist und ich Sarumans Stab zerbrochen habe?«
»Es bedeutet mir viel. Aber ich weiß bereits genug von diesen Taten für meine eigenen Pläne gegen die Drohung des Ostens.« Er richtete seine dunklen Augen auf Gandalf, und jetzt bemerkte Pippin eine Ähnlichkeit zwischen den beiden, und er spürte eine Spannung zwischen ihnen, fast als sähe er eine glimmende Zündschnur, die von einem Auge zum anderen gezogen war und plötzlich in Flammen aufgehen könnte.
Denethor sah in Wirklichkeit viel mehr wie ein großer Zauberer aus als Gandalf, königlicher, schön und mächtig; und älter. Doch mit einem anderen Sinn als dem Sehvermögen erkannte Pippin, dass Gandalf die größere Macht und die tiefere Weisheit besaß und eine Hoheit, die nur verhüllt war. Und er war älter, weit älter. »Wie viel älter?«, fragte er sich, und dann dachte er, wie merkwürdig es sei, dass er nie zuvor darüber
Weitere Kostenlose Bücher