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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Schulter. »Heute keine Dummheiten, Ni k las! Da unten gibt es für sie sowieso nichts mehr zu holen.«
    Der Mob kam näher. Jetzt skandierte er wieder sein »Juda verrecke!«. Lea deutete über die Dächer hinweg zum Hi m mel. »Seht ihr das Flackern da drüben? Da brennt irgen d etwas.«
    Ihr Mann riss die Augen auf. »Das kann doch nicht …«
    »Woran denkst du?«
    »In der Richtung liegt unsere Synagoge.«
    »Du meinst, sie haben sie in Brand gesteckt?«
    Ein lautes Klirren schreckte die drei auf. Der Mob hatte einen Pflasterstein ins Schaufenster des Uhrenladens g e worfen. Und dann sah Nico ihn: die Reitpeitsche. Auch der Fleischberg namens Horst war wieder mit von der Partie. Der Blick des Dünnen wanderte nach oben. Hatte er die drei Gesichter an den Fenstern schon entdeckt?
    »Köpfe zurück!«, rief Nico.
    Reflexartig reagierten Johan und Lea.
    »Steckt endlich den Laden in Brand«, nörgelte unten der Dünne.
    Unvermittelt keilte eine andere Stimme dazwischen. »U n tersteht euch! Ihr werdet das ganze Haus abfackeln.«
    »Das Auge?«, raunte Lea.
    Nico nickte. »Hört sich ganz so an.«
    »Ist doch nicht meine Schuld, wenn ihr mit Judenschwe i nen unter einem Dach haust«, konterte derweil die Reitpei t sche.
    »Es sind nur zwei. Und ihr Pflegesohn. Die Wohnung ist im dritten Stock. Ihr könnt sie nicht verfehlen«, hielt die Denunziantin dagegen. Offenbar hatte sie mit ihrer letzten Information auf die Mesusa angespielt, die kleine Perg a mentrolle am rechten Türpfosten.
    Das nervtötende Organ des Dünnen intonierte ein näsel n des Danke. Dann befahl er seine Truppe ins Haus.
    »O Ewiger, beschütze uns!«, hauchte Lea.
    »Wir müssen die Wohnungstür verrammeln«, stieß Johan hervor.
    »Nein«, wiedersprach Nico. »Der Dicke könnte sie ganz allein einrammen. Nehmt, was ihr packen könnt, und kommt.« Er lief in Richtung Flur.
    Johan schnappte sich einen Pappkoffer, in dem er wicht i ge Habseligkeiten verstaut hatte, und lief hinterher. »Wo willst du hin?«
    »Auf den Dachboden.«
    »Aber da sitzen wir in der Falle.«
    »Hier etwa nicht?« Nico öffnete leise die Tür zum Tre p penhaus. Von unten drang lautes Gepolter herauf. Die Me u te näherte sich schnell. Er winkte das Ehepaar nach oben und flüsterte: »Keinen Laut!«
    Lea klammerte sich an eine Aktentasche mit Dokumenten und konnte vor Angst kaum laufen. Johan ergriff ihren Arm, um sie zu stützen. Nico schloss behutsam die Tür und huschte ihnen hinterher. Kaum hatte er das nächst höhere Treppenpodest erreicht, trafen auch schon der Dünne und sein massiger Begleiter im Stockwert darunter ein.
    Die näselnde Stimme rief: »Da links, Horst. Siehst du das Goldding? Das muss der Koben von den Juden sein.«
    Der Dachboden lag nur zwei Aufgänge höher. Als Nico das vierte Geschoss erreichte, öffnete sich eine Tür. Ein untersetzter Mann Mitte dreißig in gestreiftem Schlafanzug erschien. Es war Herr Grimschitz, der die schönen Künste liebte. Aus großen Augen sah er den Jungen an, der den Zeigefinger an die Lippen legte und an ihm vorüberschlich.
    Während zwei Stockwerke tiefer der Mob die Wohnung s tür aufbrach, erreichte Nico endlich den Dachboden, wo Johan und Lea ihn erwarteten.
    »Warum seid ihr nicht auf der Bühne?«, wisperte er.
    »Die Tür ist abgeschlossen, und ich habe den Schlüssel vergessen«, antwortete Johan sichtlich verzweifelt.
    Obwohl er am Wort seines Meisters nicht zweifelte, drückte Nico trotzdem die Klinke. Kein Zweifel, die Tür war zu. Von unten drang das Geräusch berstender Möbel herauf.
    »Sie werden uns alle umbringen«, wimmerte Lea. Schon waren im Hausflur wieder Schritte zu hören.
    »Die Bluthunde haben die Witterung aufgenommen«, flüsterte Johan.
    Nico summte. Seine Rechte lag dabei auf der Türklinke, die andere Hand über dem Schloss.
    »Was tust du da?«, raunte Johan. Die Schritte hatten den vierten Stock erreicht.
    »Lass ihn! Das weißt du doch ganz genau«, zischte Lea.
    Nico setzte sein »Gespräch« mit dem Schloss fort. Es war, wie er feststellen musste, ein sehr störrischer alter M e chanismus.
    »Machen Sie, dass Sie fortkommen. Wir wollen unseren Frieden haben?«, tönte von unten Grimschitz’ Stimme he r auf.
    »Horst«, antwortete der Dünne. Einen Herzschlag später klappte eine Tür. »Komm«, fügte die Reitpeitsche hinzu.
    Die Stufen knarzten unter dem Fleischberg. Sie kamen langsam, aber stetig näher.
    Mit einem Mal drang ein leises Knacken aus dem Schloss. Nico drückte die

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