Der Herr vom Rabengipfel
guten Eindruck auf ihn, er war groß und stark, vor Gesundheit und Jugend strotzend. Ihn plagte nicht die Gicht! Und er hatte das gute Aussehen, das Frauen so bewunderten. Laren machte da mit Sicherheit keine Ausnahme. Er würde diesen Mann genau prüfen, bevor er entschied, ob er Laren hier behielt oder diese Ehe akzeptierte.
Er gab Weland Anweisungen: »Laren wird vorläufig bei Merrik bleiben. Er kann sie besser bewachen als einer unserer Männer. Stelle aber trotzdem Wachen vor die Schlafkammer der beiden.« Rollo legte die flache Hand an die Stirn und seufzte: »Warum habe ich bloß auf diese verdammten Weiber gehört? Sie erzählten mir, sie hätten von Verschwörungen einiger Neider am Hofe gehört, die mir nach dem Leben trachteten; Verräter, die durch Taby und dich Laren, die Dynastie vernichten wollten. Es gibt immer Verschwörungen, es gibt immer Neider und Schurken, nicht zuletzt der wilde Haufen meiner Vettern von den Orkney-Inseln. Damals habe ich meinen Töchtern Glauben geschenkt und Wilhelm in Sicherheit gebracht, nicht aber dich und Taby. Bei allen Göttern, Helgas Zunge ist flinker als die einer Natter, und Ferlain spielt den Unschuldsengel wie eine christliche Nonne. Ich werde die beiden Hexen töten lassen.«
»Wir müssen erst Beweise haben, Mylord«, sagte Laren. »Ich bin nicht sicher, aber ich habe einen schweren Verdacht. Wie Ihr sagt, es gibt immer Schurken, auch unter den Franken, die ihrem König Karl die Treue geschworen haben.«
»Ja. Ich werde mit Otta sprechen, aber ich werde ihm verschweigen, daß Taby lebt. Weland, wo ist eigentlich Otta?«
»Er, ehm, er muß sich entleeren. Er wird bald zur Stelle sein.«
»Otta und seine verfluchten Eingeweide«, seufzte Rollo. »Ständig hat er Leibschmerzen, ständig rennt er hinter ein Gebüsch. Nun Merrik, ich war beinahe soweit, einen meiner Schwiegersöhne als Thronfolger einzusetzen, falls Wilhelm etwas zustößt. Aber ich zögerte. Noch bin ich kein alter Graubart. Ein, zwei Jährchen hätte ich wohl noch abgewartet. Wilhelms Gemahlin ist endlich schwanger. Wir beten zum Gott der Christen, daß sie einen Knaben zur Welt bringt. Wenn sie uns ein Mädchen präsentiert, wird man sehen . . .« Seine Stimme verebbte.
Merrik ergriff das Wort: »Und wenn die Neider müde sind zu warten und Euch oder Prinz Wilhelm vergiften?«
Welands Miene verdüsterte sich und er antwortete: »Das ist kein abwegiger Gedanke, Merrik Haraldsson. Auch Otta hat bereits davon gesprochen. Er ist in Sorge, daß Rollo und Wilhelm eines Tages vergiftet werden. Er kostet jedes Essen, bevor es dem Herzog vorgesetzt wird.«
»Ja«, meinte Rollo abfällig. »Und dann sitzt er stundenlang auf dem Abort, als habe er tatsächlich Gift gegessen.«
Merrik grinste, wurde aber schnell wieder ernst. »Was gedenkt Ihr zu tun, Sire?«
Rollo lächelte, und sein Lächeln war nicht angenehm. Zorn, Klugheit und Entschlossenheit spiegelten sich darin. Merrik sah seine Willenskraft und seinen Ehrgeiz, Eigenschaften, die ihn anderen Männern überlegen machten. Eigenschaften, mit denen er die unzähligen Kämpfe bestand und dieses große Reich unterworfen hatte. Er würde Herrscher sein, bis die Götter dereinst beschlossen, daß seine Zeit abgelaufen ist, dann würde sein Sohn das Land regieren, und nach ihm sein Enkelsohn. Das war Merriks feste Überzeugung, und er betete darum, der Wille der Götter möge nicht durchkreuzt werden.
Kapitel 21
Rollo ließ sie nicht aus den Augen und wich nicht von ihrer Seite — er legte ihr die Hand auf die Schulter, tätschelte ihre Wange, drückte sie zärtlich. Und immer wieder staunte er, wie erwachsen, wie liebreizend sie geworden war. Auch fragte er sich, was sie durchgemacht hatte — wie stolz ihr Vater Hallad wäre ... Er zwang sich, diesen letzten Gedanken nicht weiterzuverfolgen. Das Leben nahm immer wieder unerwartete Wendungen. Doch diesmal hatte er das Schicksal überlistet. In Rollos Privatgemächern war ein üppiges Mahl aufgetragen worden, zu dem weder Otta noch Weland gebeten waren. Merrik hielt sich wohlig den Bauch. »Laren ist eine gute Köchin, Sire, aber ich bin nicht sicher, ob sie sich damit messen könnte.«
»Das Wildbret war köstlich«, stimmte Laren zu. »Nein, Liebster, ich fürchte, du kennst die Grenzen meiner Kochkünste.« Ihr Onkel machte ein entsetztes Gesicht, und sie beeilte sich zu erklären: »Eine alte Frau, der ich diente, brachte mir das Kochen bei. Ich habe viel gelernt.«
Rollo sagte gedehnt:
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