Der Himmel so fern
abgenutzten Schreibtisch. Er nickte dankend. Instinktiv pustete er vorsichtig ein paar Male, bevor er langsam an dem bitteren Automatenkaffee nippte, der noch dampfte.
Sie selbst hatte sich auch einen Kaffee geholt, doch er vermutete, dass sie dies nur aus Geselligkeit tat, denn zu keiner Zeit während ihres Gesprächs trank sie davon. Die Kriminalkommissarin, die ihm gegenübersaß, schien um die fünfzig zu sein. Kurzes, brünettes Haar, ein energischer Zug um den Mund. Sie trug keine Uniform, worüber Mikael sehr froh war. Nie wieder würde er Beamte in Dienstkleidung anschauen können, ohne an die Nacht denken zu müssen, in der die zwei Polizisten vor seiner Tür standen und um Einlass baten.
Die Kommissarin fingerte an ihrem Becher, als spiele sie tatsächlich mit dem Gedanken, einen Schluck zu nehmen. Dann ließ sie das Gefäß wieder los und griff stattdessen zu den Unterlagen, die vor ihr auf dem Tisch lagen. »Hat die Beerdigung schon stattgefunden?«
»Nein, der Termin ist nächste Woche.«
»Sie machen gerade viel durch, nicht wahr?«
Mikael antwortete nicht. Ihm war schon klar, dass sie ein paar nette Worte sagen wollte, doch sein Anliegen war vielmehr, das Gespräch so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Ein paar Male hatte er es bereits aufgeschoben, hatte sich nicht in der Lage dazu gefühlt, doch nun saß er hier. Wenn es etwas zu sagen gab, dann hoffte er, dass es schnell gehen würde. Dass er bald wieder gehen könnte. Die Luft in dem kleinen Zimmer war stickig.
»Es ging um ein paar Unterlagen …«, sagte er stocksteif.
»Ja.« Sie reckte sich. »Uns liegt jetzt das Protokoll aus der Rechtsmedizin vor, reine Routine. Todesursache war der Sturz. Die Erklärung der Mediziner kann man hier nachlesen.«
Sie schob Mikael eine Mappe hinüber. Er zögerte einen Augenblick, bis er sie in die Hand nahm und darin blätterte. Ganz oben lag das Sektionsprotokoll. Er überflog die wenigen Seiten. Fast ausnahmslos medizinische Fachbegriffe, doch aus dem, was er verstand, wurde ihm noch einmal bewusst, dass Rebeckas Methode, sich das Leben zu nehmen, sehr effektiv gewesen war. Er schluckte und blätterte um. Darunter lagen noch andere Papiere, und er sah auf.
»Was ist denn das?«
»Krankenakten. Der Pathologe hat noch Befunde aus den vergangenen Jahren angefordert. Sie liegen jetzt vor.«
Mikael nickte. Krankenakten. Er konnte sich gar nicht erinnern, dass Rebecka in den letzten Jahren überhaupt beim Arzt gewesen war. Sie jammerte eigentlich nie ohne Grund und ließ sich von kleinen Wehwehchen nicht abhalten, zur Arbeit zu gehen. Weshalb sollte sie dann bei einem Arzt gewesen sein? Die erste Akte beruhigte ihn wieder. Es war lediglich die Kopie eines Rezepts für ihre Schlaftabletten, die nun zu Hause in seinem Badezimmerschrank lagen. Natürlich, die musste ja ein Arzt verschreiben. Kein Grund zur Beunruhigung. Der nächste Bericht war vom Sophiakrankenhaus. Mikael las den kurzen Text, dann blickte er zu der Kommissarin auf, die schweigend dasaß und abwartete.
»Das kann nicht sein«, sagte er und gab ihr die Unterlagen zurück. Sie legte sie schnell zur Seite.
»Hier steht der Name und die Personalausweisnummer Ihrer Ehefrau.«
»Aber da muss eine Verwechslung vorliegen. Rebecka hat keine Abtreibung vornehmen lassen.« Er schnaubte.
Die Kommissarin suchte seinen Blick und schwieg einen Moment, dann antwortete sie. »Dem Bericht der Ärztin zufolge hat sie das aber.« Die Frau warf einen Blick in die Papiere und suchte nach dem Datum. »Am elften August. Da war sie in der zehnten Woche.«
Mikael schüttelte den Kopf. »Nein, nein …«
»Sie wussten nichts davon?«
»Nein.« Er konnte plötzlich gar nichts mehr denken, versuchte dennoch krampfhaft, Argumente zu finden. Völlig unmöglich, dass Rebecka schwanger gewesen war. »Sie … sie …« Fieberhaft suchte Mikael nach Worten, nach einer Erklärung. Schließlich fiel ihm etwas ein. »Aber sie hat doch die Pille genommen«, sagte er und schaute die Kommissarin irritiert an.
»Darüber haben wir hier auch einen Vermerk.« Die Frau wies auf die restlichen Papiere auf dem Tisch. »Daraus geht hervor, dass sie sich Anfang des Jahres kein neues Rezept mehr geholt hat, als es fällig gewesen wäre.«
Mikael fing wieder an zu blättern und nahm ein weiteres Papier in die Hand. Die Polizistin hatte recht. Er legte das Dokument wieder zurück und schwieg.
Die Kommissarin räusperte sich. »Es ist bekannt, dass ein
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