Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
erkundigte sich, wie viele Konvertiten denn de facto auf das Konto des Pastors gingen, und erhielt die Antwort, das komme ganz auf die Betrachtungsweise an. Einerseits hatte Pastor Ferguson nämlich exakt einen Konvertiten pro Religion zu verzeichnen, insgesamt also acht Stück. Andererseits war ihm erst vor ein paar Monaten gedämmert, dass diese acht vielleicht Spione der Geheimpolizei gewesen waren, die den missionierenden Pfarrer ausspitzeln sollten.
»Also zwischen null und acht«, schloss Allan.
»Vermutlich eher null als acht«, erwiderte Pastor Ferguson.
»In zwölf Jahren«, sagte Allan.
Der Pfarrer gestand, wie es ihn bekümmert hatte, als er einsah, dass das sowieso schon magere Resultat in Wirklichkeit noch magerer war. Und da begriff er, dass er in diesem Land mit seiner Vorgehensweise niemals Erfolg haben würde, denn so gerne die Iraner konvertieren würden – sie würden es niemals wagen. Die Geheimpolizei war ja überall, und wenn einer die Religion wechselte, würde sie mit Sicherheit ein Dossier über ihn anlegen. Und wenn es erst mal ein Dossier über einen Menschen im Archiv gab, fehlte auch nicht mehr viel, dass er eines Tages spurlos verschwand.
Allan meinte, vielleicht verhalte es sich ja auch so, dass der eine oder andere Iraner – völlig unbeeinflusst von Pastor Ferguson und der Sicherheitspolizei – ganz zufrieden mit seiner eigenen Religion sei.
Der Pfarrer erwiderte, so etwas Dummes habe er selten gehört, aber er könne ja nicht angemessen darauf antworten, da Herr Karlsson ihm weitere Erläuterungen zum anglikanischen Glauben verboten habe. Aber ob sich Herr Karlsson vielleicht vorstellen könnte, sich den Rest der Geschichte anzuhören, ohne ihn öfter als notwendig zu unterbrechen?
Die Fortsetzung ging so, dass Pfarrer Ferguson mit seinen neu gewonnenen Einsichten über die Infiltration seiner Mission durch die Geheimpolizei ganz neu zu denken begann, in ganz großem Maßstab.
Und so schüttelte der Pastor seine acht vermutlich spionierenden Schüler ab und nahm Kontakt mit der kommunistischen Untergrundbewegung auf. Er ließ ausrichten, er sei ein britischer Vertreter der Wahren Lehre, der sich mit ihnen treffen wolle, um über die Zukunft zu reden.
Es dauerte eine Weile, bis ein Treffen arrangiert war, aber schließlich saß er mit fünf Herren aus dem Führungskreis der Kommunisten in der Provinz Razavi Khorasan an einem Tisch. Eigentlich hatte er die Kommunisten aus Teheran treffen wollen, denn er dachte sich, dass die wahrscheinlich mehr zu sagen hatten, aber diese Diskussion konnte ihn sicher auch schon weiterbringen.
Oder auch nicht.
Pfarrer Ferguson unterbreitete den Kommunisten seine Idee, die kurz gefasst darauf hinauslief, dass der Anglikanismus iranische Staatsreligion werden sollte, wenn die Kommunisten an die Macht kamen. Wenn sie einverstanden wären, würde er sich als Kirchenminister anbieten und als solcher dafür sorgen, dass von Anfang an genug Bibeln zur Verfügung standen. Dann müsste man eben noch Kirchen bauen, aber fürs Erste könnte man ja auf geschlossene Synagogen und Moscheen ausweichen. Was schätzten die Herren Kommunisten eigentlich, wie lange es noch dauern würde bis zur kommunistischen Revolution?
Seine Gesprächspartner hatten nicht mit dem Enthusiasmus oder zumindest der Aufgeschlossenheit reagiert, die Pfarrer Ferguson sich erhofft hatte. Vielmehr wurde ihm klar, dass es weder Anglikanismus noch andere Ismen neben dem Kommunismus geben würde, wenn dessen Zeit erst gekommen war. Außerdem blies man dem Pastor noch ganz gehörig den Marsch, weil er sich diese Unterredung durch Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen hatte. So etwas von Zeitverschwendung war den Kommunisten ja noch nie untergekommen.
Mit drei zu zwei Stimmen wurde beschlossen, dass Pfarrer Ferguson eine ordentliche Tracht Prügel kriegen sollte, bevor man ihn wieder in den Zug nach Teheran setzte, und mit fünf zu null Stimmen, dass es für die Gesundheit des Pastors das Beste war, wenn er sich nicht noch einmal die Mühe machte, zu ihnen zu kommen.
Allan lächelte und meinte, er könne die Möglichkeit nicht ausschließen, dass der Pfarrer nicht ganz richtig im Oberstübchen sei, wenn Pfarrer Ferguson die Formulierung entschuldigen wolle. Eine religiöse Übereinkunft mit den Kommunisten zu erzielen, war doch von vornherein aussichtslos, ob ihm das nicht in den Kopf gehe?
Der Pfarrer entgegnete, dass Heiden wie der Herr Karlsson gut daran täten, sich
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