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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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in der Offiziersmesse saßen. »Jetzt trinken wir jeder erst mal ein schönes Gläschen!«
    »Sehr gut«, lobte Allan. »Seeluft macht immer so durstig.«
    Schon nach dem ersten Glas hatte Allan durchgesetzt, dass sie sich anders anredeten. Denn Julij Borissowitsch jedes Mal, wenn er Julij Borissowitsch anreden wollte, mit Julij Borissowitsch anzureden, war auf die Dauer einfach zu viel. Und er wollte auch nicht Allan Emmanuel genannt werden, denn so hatte ihn keiner mehr genannt, seit ihn der Pfarrer in Yxhult getauft hatte.
    »Ab jetzt bist du also Julij und ich bin Allan«, verkündete Allan. »Sonst steige ich sofort wieder aus diesem U-Boot.«
    »Das lass mal schön bleiben, lieber Allan. Wir befinden uns nämlich gerade in zweihundert Metern Tiefe«, antwortete Julij. »Trink lieber noch ein Gläschen.«
    Julij Borissowitsch Popow war lodernder Sozialist und wünschte sich nichts mehr, als für den Sowjetsozialismus arbeiten zu dürfen. Genosse Stalin konnte streng durchgreifen, wusste Julij zu berichten, aber wer dem System loyal und überzeugt diente, hatte nichts zu befürchten. Allan erwiderte, er habe nicht vor, irgendeinem System zu dienen, aber er könne Julij sicher den einen oder anderen Tipp geben, wenn er sich in der Atombombenproblematik festgefahren habe. Doch zuerst wollte er noch ein Glas von diesem Wodka, dessen Namen man nicht mal in nüchternem Zustand aussprechen konnte. Außerdem musste Julij ihm zusichern, den einmal eingeschlagenen Weg beizubehalten: kein Wort über Politik.
    Julij bedankte sich aufrichtig für Allans Versprechen, ihm zu helfen, und gab ohne Umschweife zu, dass Marschall Berija, Julijs nächsthöherer Vorgesetzter, dem schwedischen Experten für seine Dienste einen einmaligen Betrag von hunderttausend amerikanischen Dollar anbot, sofern Allans Hilfe dann auch tatsächlich den Bau der Bombe gewährleistete.
    »Das geht in Ordnung«, meinte Allan.
    Der Inhalt der Flasche schwand langsam dahin, während die beiden sich über alles Mögliche zwischen Himmel und Erde unterhielten (außer Politik und Religion). Sie kamen auch ein wenig auf die Atombombenproblematik zu sprechen, und obwohl das Thema ja eigentlich erst in den nächsten Tagen anstand, konnte Allan in vereinfachter Form schon ein paar Tipps geben. Und dann noch ein paar.
    »Hmm«, sagte Chefphysiker Julij Borissowitsch Popow. »Ich glaube, ich hab’s verstanden …«
    »Aber ich nicht«, sagte Allan. »Erklär mir das mit der Oper doch noch mal, bitte. Ist das nicht einfach ein einziges großes Rumgekrähe?«
    Julij lächelte, nahm einen ordentlichen Schluck Wodka, stand auf – und begann zu singen. In seinem Rausch gab er kein launiges Volkslied zum Besten, sondern die Arie Nessun dorma aus Puccinis Turandot .
    »Ja, hau mir doch ab!«, sagte Allan, als Julij fertig gesungen hatte.
    »Nessun dorma!«, sagte Julij andächtig. » Keiner schlafe! «
    Ungeachtet etwaiger Schlafverbote waren Allan und Julij wenig später in ihren Kojen eingeschlummert. Als sie wieder aufwachten, lag das U-Boot bereits im Hafen von Leningrad. Dort wartete schon eine Limousine, die sie in den Kreml zu einer Unterredung mit Marschall Berija bringen sollte.
    »Sankt Petersburg, Petrograd, Leningrad … Könnt ihr euch nicht endlich mal entscheiden?«, fragte Allan.
    »Ich wünsche dir ebenfalls einen guten Morgen«, sagte Julij.
    Die beiden setzten sich auf den Rücksitz der Humber-Pullman-Limousine und ließen sich von Leningrad nach Moskau fahren, was einen ganzen Tag in Anspruch nahm. Ein gläsernes Schiebefenster trennte den Fahrer von dem … Salon …, in dem Allan und sein neuer Freund saßen. Dort fand sich auch ein Kühlschrank mit Wasser, Erfrischungsgetränken und Alkohol, auf den die Fahrgäste gerade wunderbar verzichten konnten. Daneben stand eine Schale mit Geleehimbeeren und eine mit Pralinen aus echter Schokolade. Auto und Ausstattung hätten ein strahlendes Beispiel für die sowjetsozialistische Ingenieurskunst abgegeben, wäre nicht alles aus England importiert gewesen.
    Julij erzählte Allan von seinem Hintergrund. So hatte er beim Nobelpreisträger Ernest Rutherford studiert, dem legendären Kernphysiker aus Neuseeland. Daher sprach er auch so gut Englisch. Allan berichtete dem immer verblüffteren Julij Borissowitsch von seinen Abenteuern in Spanien, Amerika, China, im Himalaya und im Iran.
    »Und was ist dann mit dem anglikanischen Pfarrer passiert?«, wollte Julij wissen.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Allan.

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