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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Aufnahme des »Bittstellers« in die Gesellschaft geradezu für beleidigt, und da er von Natur schweigsam war, so brummte er nur manchmal wie ein Bär und blickte mit tiefster Verachtung auf die Schmeicheleien und Scherze, mit denen sich der »Bittsteller«, welcher sich als eine weltmännische, diplomatische Persönlichkeit erwies, an ihn heranmachte. Seinem Äußern nach ließ der Leutnant erwarten, daß er »bei der Arbeit« mehr durch Geschicklichkeit und Gewandtheit als durch Kraft wirken werde; auch war er von kleinerer Statur als der Herr mit den Fäusten. Taktvoll, ohne in einen offenen Streit einzutreten, aber sehr ruhmredig, hatte er schon mehrmals auf die Vorzüge des englischen Boxens hingedeutet und sich als einen entschiedenen Anhänger westeuropäischen Wesens zu erkennen gegeben. Der Herr mit den Fäusten hatte bei dem Wort »Boxen« nur geringschätzig und beleidigend gelächelt und seinerseits, ohne seinen Rivalen eines offenen Streites zu würdigen, manchmal schweigend und anscheinend unbewußt ein durchaus nationales Naturprodukt gezeigt oder, richtiger gesagt, zur Schau vorgeschoben: eine gewaltige, sehnige, knorrige, mit einer Art von rötlichem Flaum bewachsene Faust, und es war allen klargeworden, daß wenn dieses echt nationale Naturprodukt ohne Fehlschlag auf ein Lebewesen niederfiel, von diesem tatsächlich nur ein nasser Fleck übrigblieb.
    Im vollen Wortsinn »fertig« war auch diesmal, ebenso wie am Tage, keiner von ihnen; dies war ein Erfolg der persönlichen Bemühungen Rogoschins, dem den ganzen Tag über sein Besuch bei Nastasja Filippowna als Ziel vor Augen geschwebt hatte. Er selbst war wieder fast ganz nüchtern geworden; aber dafür war er beinahe betäubt von all den Eindrücken, die ihm dieser seltsame, mit keinem seiner früheren Lebenstage vergleichbare Tag gebracht hatte. Nur
eine
Absicht hatte er jede Minute, jede Sekunde im Auge gehabt, im Gedächtnis behalten, im Herzen gehegt, und um diese eine Absicht auszuführen, hatte er die ganze Zeit von fünf Uhr nachmittags bis elf Uhr abends in größter Aufregung und Unruhe damit verbracht, mit Leuten wie Biskup und Kinder zu verhandeln, die gleichfalls fast den Verstand verloren hatten und in seinem Interesse wie die Besessenen umherrannten. Aber die hunderttausend Rubel bar, die er Nastasja Filippowna, durch ihr Benehmen gereizt, angeboten hatte, waren doch zusammengebracht worden, allerdings zu Prozenten, von denen sogar Biskup selbst schamhafterweise mit Kinder nicht laut, sondern nur flüsternd sprach.
    Rogoschin schritt wie am Tag so auch jetzt an der Spitze aller einher; die übrigen gingen hinter ihm, zwar im vollen Bewußtsein ihrer Vorzüge, aber doch einigermaßen ängstlich. Hauptsächlich fürchteten sie sich, Gott weiß weshalb, vor Nastasja Filippowna. Manche von ihnen dachten sogar, man werde sie alle unverzüglich die Treppe hinunterwerfen. Zu denen, die solche Befürchtungen hegten, gehörte unter andern der Stutzer und Herzensbezwinger Saloschew. Die andern aber, und ganz besonders der Herr mit den Fäusten, hegten, wenn sie es auch nicht laut aussprachen, doch in ihrem Herzen eine tiefe Verachtung, ja einen Haß gegen Nastasja Filippowna und gingen zu ihr, als ob sie gegen eine zu belagernde Stadt vorrückten. Aber die prachtvolle Einrichtung der ersten beiden Zimmer, die kostbaren Gegenstände, wie sie dergleichen nie gesehen hatten, ja nicht einmal vom Hörensagen kannten, das auserlesene Mobiliar, die große Venusstatue, alles das rief bei ihnen eine gewisse Ehrfurcht, ja beinah Angst hervor. Das konnte sie aber natürlich alle nicht daran hindern, sich allmählich mit frecher Neugier trotz ihrer Angst hinter Rogoschin her in den Salon zu drängen; aber als der Herr mit den Fäusten, der »Bittsteller« und einige andere den General Jepantschin unter den Gästen bemerkten, wurden sie im ersten Augenblick dermaßen mutlos, daß sie sogar anfingen, sich sachte nach dem andern Zimmer zurückzuziehen. Nur Lebedew, der am meisten Mut und Selbstvertrauen besaß, ging beinah an Rogoschins Seite; denn er wußte, was es bedeutet, ein Kapital von einer Million und vierhunderttausend Rubeln im Besitz und hunderttausend augenblicklich in Händen zu haben. Es muß übrigens hervorgehoben werden, daß sie alle, sogar den sachverständigen Lebedew nicht ausgeschlossen, sich über die Grenzen ihrer Macht einigermaßen im unklaren befanden und nicht wußten, ob ihnen jetzt tatsächlich alles erlaubt sei oder nicht.

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