Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Bereitwilligkeit, daß ihm der Gedanke durch den Kopf schoß, sie hörten auf das, was er sagte, vielleicht überhaupt nicht hin. Infolge dieses Gedankens brach er plötzlich, ohne einen Grund anzugeben, in ein lautes Gelächter aus, das ihm ganz von Herzen kam (das lag nun einmal so in seinem Wesen!). Die beiden Schwestern, die übrigens in einer Art von festtäglicher Stimmung waren, blickten fortwährend nach Aglaja und dem Fürsten hin, die vor ihnen gingen; offenbar hatte die jüngste Schwester ihnen ein schweres Rätsel aufgegeben. Fürst Schtsch. war andauernd bemüht, Lisaweta Prokofjewna mit nebensächlichen Dingen zu unterhalten, vielleicht um sie zu zerstreuen, und wurde ihr damit sehr lästig.
    Sie schien ganz verstört zu sein und gab Antworten, die nicht auf die Fragen paßten; mitunter antwortete sie auch überhaupt nicht. Aber die Rätsel, die Aglaja Iwanowna den anderen an diesem Abend aufgab, hatten noch nicht ihr Ende erreicht. Das letzte derartige Rätsel legte sie dem Fürsten allein vor. Als sie sich ungefähr hundert Schritte von dem Landhaus entfernt hatten, sagte Aglaja hastig halbflüsternd zu ihrem hartnäckig schweigenden Kavalier:
    »Blicken Sie einmal nach rechts!«
    Der Fürst blickte nach der angegebenen Richtung.
    »Blicken Sie recht aufmerksam hin! Sehen Sie da eine Bank im Park, da, wo die drei großen Bäume stehen ... eine grüne Bank?«
    Der Fürst antwortete, daß er sie sehe.
    »Gefällt Ihnen das Plätzchen? Ich gehe manchmal frühmorgens, gegen sieben Uhr, wenn alle noch schlafen, allein dorthin und sitze da.«
    Der Fürst murmelte, es sei ein sehr schönes Plätzchen.
    »Aber jetzt gehen Sie von mir weg; ich möchte nicht länger mit Ihnen untergefaßt gehen. Oder besser so: lassen Sie mir Ihren Arm, aber reden Sie mit mir kein Wort! Ich möchte still für mich nachdenken ...«
    Dieses Verbot war jedenfalls überflüssig: der Fürst hätte sicherlich auch ohne solche Weisung auf dem ganzen Weg kein Wort gesprochen. Sein Herz begann furchtbar zu klopfen, als er die Mitteilung von der Bank hörte. Einen Augenblick darauf hatte er sich wieder gesammelt und wies voller Scham einen absurden Gedanken zurück, der ihm gekommen war ...
    Auf dem Bahnhof in Pawlowsk versammelt sich an den Wochentagen, wie allgemein bekannt ist oder wenigstens alle behaupten, ein »feineres« Publikum als an Sonn- und Festtagen, wo »alle möglichen Leute« aus der Stadt herauskommen. Die Toiletten sind nicht festtäglich, aber elegant. Es ist Sitte, sich bei der Musik zu treffen. Die Kapelle ist vielleicht tatsächlich die beste unserer Gartenkapellen und spielt moderne Sachen. Die dort herrschende Wohlanständigkeit und Etikette sind hervorragend, trotzdem das Ganze bis zu einem gewissen Grade einen Anstrich von Familienhaftigkeit, ja von Intimität hat. Bekannte, sämtlich Sommerfrischler, finden sich dort zusammen, um einander wechselseitig zu mustern. Viele vollführen das mit wirklichem Vergnügen und gehen nur zu diesem Zweck hin; aber es gibt auch einige, die lediglich um der Musik willen kommen. Skandalszenen sind äußerst selten, wiewohl sie auch an Wochentagen vorkommen. Aber ganz ohne solche geht es nun einmal nicht ab.
    Es war diesmal ein wundervoller Abend und ziemlich viel Publikum beisammen. Alle Plätze in der Umgebung der musizierenden Kapelle waren besetzt. Unsere Gesellschaft nahm auf Stühlen etwas mehr seitwärts Platz, dicht bei dem linken Bahnhofsausgang. Die bunte Menge und die Musik übten auf Lisaweta Prokofjewna bis zu einem gewissen Grad eine belebende Wirkung aus und brachten den jungen Mädchen etwas Zerstreuung; sie hatten schon Zeit gefunden, mit diesem und jenem ihrer Bekannten einen Blick zu wechseln, einem und dem andern von weitem freundlich zuzunicken, die Kostüme zu betrachten, einige Sonderbarkeiten daran zu bemerken, darüber ihre Ansichten auszutauschen und spöttisch zu lächeln. Jewgeni Pawlowitsch verneigte sich ebenfalls sehr häufig. Auf Aglaja und den Fürsten, die immer noch zusammen waren, war schon mancher aufmerksam geworden. Bald traten zur Mutter und zu den jungen Damen einzelne junge Männer aus ihrem Bekanntenkreis heran, um sie zu begrüßen; zwei oder drei blieben da und unterhielten sich mit ihnen; alle waren sie mit Jewgeni Pawlowitsch befreundet. Unter ihnen befand sich ein junger, sehr hübscher Offizier, ein sehr munterer, redseliger Mensch; er beeilte sich, mit Aglaja ein Gespräch anzuknüpfen, und bemühte sich aus allen Kräften, ihr

Weitere Kostenlose Bücher