Der Idiot
sie niemandem herausgeben wollten! Die Nacht wollen wir hier ganz still verbringen. Ich bin heute nur eine Stunde lang von Hause weggewesen, am Vormittag; die übrige Zeit war ich immer bei ihr. Und dann ging ich am Abend fort, um dich zu holen. Ich fürchte nun noch, daß es bei der Hitze riechen wird. Spürst du einen Geruch oder nicht?«
»Vielleicht spüre ich etwas; ich weiß es nicht; aber morgen früh wird es gewiß riechen.«
»Ich habe sie mit Wachstuch zugedeckt, mit gutem amerikanischem Wachstuch, und über dem Wachstuch mit einem Leinentuch, und vier offene Flaschen mit Schdanowscher Flüssigkeit habe ich danebengestellt; die stehen jetzt noch da.«
»Das hast du gerade so gemacht wie ... wie der in Moskau?«
»Weil man es riechen wird, Bruder. Aber wie sie daliegt ... Am Morgen, wenn es hell wird, dann sieh sie dir an! Was ist mir dir? Du kannst ja gar nicht aufstehen?« fragte Rogoschin erstaunt und ängstlich, als er sah, daß der Fürst so zitterte, daß er nicht imstande war, sich zu erheben.
»Die Beine sind mir schwach«, murmelte der Fürst. »Das kommt von der Angst; ich kenne das ... Wenn die Angst vorübergeht, dann werde ich auch wieder stehen können ...«
»Warte noch; ich werde unterdes das Lager für uns zurechtmachen; dann kannst du dich hinlegen ... und ich werde mich zu dir legen ... und dann wollen wir hören ... denn ich weiß noch nicht ... ich weiß jetzt noch nicht alles; das sage ich dir im voraus, damit du alles darüber im voraus weißt ...«
Während Rogoschin diese unklaren Worte murmelte, begann er, die Lagerstatt herzurichten. Offenbar hatte er sich eine solche schon vorher im stillen ausgedacht, vielleicht schon am Morgen. In der vorhergehenden Nacht hatte er selbst auf dem Sofa gelegen. Aber zwei Personen nebeneinander konnten auf dem Sofa nicht liegen; und er wollte jetzt durchaus zwei Lager nebeneinander herstellen; deshalb schleppte er jetzt mit großer Anstrengung von den beiden Sofas allerlei verschieden große Kissen durch das ganze Zimmer bis dicht an den einen Eingang des Vorhangs. Nun hatte er eine leidliche Lagerstatt zurechtgemacht; er trat zum Fürsten, faßte ihn zärtlich und behutsam unter den Arm, hob ihn auf und führte ihn zu dem Lager; indes stellte sich heraus, daß der Fürst auch allein gehen konnte; denn »die Angst war vorübergegangen«; aber er zitterte doch noch immer.
»Weißt du, Bruder«, begann Rogoschin auf einmal, nachdem er den Fürsten sich auf das linke, bessere Lager hatte legen lassen und sich selbst, ohne die Kleider abzulegen, rechts von ihm hingestreckt und beide Hände hinter den Kopf gelegt hatte, »es ist heute heiß, und da wird es natürlich riechen ... Die Fenster zu öffnen, fürchte ich mich; aber meine Mutter hat Töpfe mit Blumen, viele Blumen, und die duften sehr schön; ich habe daran gedacht, sie herüberzuholen; aber die alte Pafnutjewna würde etwas merken; denn sie ist sehr neugierig.«
»Ja, das ist sie«, bestätigte der Fürst.
»Soll ich vielleicht Bukette und Blumen kaufen und sie ganz damit bedecken? Aber ich glaube, sie würde mir gar zu leid tun, wenn sie so unter den Blumen daläge!«
»Hör mal ...«, begann der Fürst, wie wenn er verwirrt wäre und überlegte, wonach er eigentlich fragen wollte, und es immer gleich wieder vergäße. »Hör mal, sage mir doch: womit hast du sie getötet? Mit einem Messer? Mit eben jenem Messer?«
»Ja, mit eben jenem ...«
»Warte noch! Ich will dich noch etwas fragen, Parfen ... ich werde dich noch nach vielem fragen, nach allem ... aber sage mir lieber zuerst, zuallererst, damit ich das weiß: wolltest du sie vor meiner Hochzeit töten, vor der Trauung, an der Kirchentür, mit dem Messer? Wolltest du das oder nicht?«
»Ich weiß nicht, ob ich es wollte oder nicht ...«, antwortete Rogoschin trocken, wie wenn er sogar über die Frage einigermaßen verwundert wäre und sie nicht verstände.
»Hast du das Messer niemals nach Pawlowsk mitgenommen?«
»Nein, niemals. Ich kann dir über dieses Messer nur soviel sagen, Ljow Nikolajewitsch«, fügte er nach kurzem Schweigen hinzu: »Ich habe es heute früh aus einem verschlossenen Schubkasten herausgenommen; denn die ganze Sache geschah heute morgen zwischen drei und vier Uhr. Es hat bei mir immer in einem Buch gelegen ... Und ... und ... und da ist noch etwas, was mir wunderbar vorkommt: das Messer ist sieben oder sogar neun Zentimeter tief eingedrungen ... dicht unter der linken Brust ... aber Blut ist nur so
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