Der Implex
eine neue Art politökonomisches Subjekt miterzeugen half, das ohne einen an die Wissenschaften gekoppelten und mit dieser in Interpenetration seine stetige autopoietische Perfektibilität beweisenden Bildungsbegriff, der die Breitenwirkung von intensiver und extensiver Forschung, Induktion und Systematik, Erfahrung und Übersicht organisiert, nicht zu sich selbst gekommen wäre. Dieses Subjekt setzte, was es lernte, nicht nur in der unmittelbaren Produktionssphäre als Hebel gegen allerlei Undurchschaubarkeiten im natürlichen und sozialen Menschenleben ein. Von den Leuten, die am neuen Zeitalter sollten teilnehmen können, wurde erwartet, daß sie selbst als Nichtbesitzende, also Lohnarbeiter, jederzeit eigenverantwortliche Entscheidungen treffen konnten, das hieß: informierte (oder wie das inzwischen an Schwulst erstickte deutsche Adjektiv sagt: mündige) Personen waren, die von ihrer Welt umgekehrt erwarten durften, daß sie sich verstehen ließ.
Die soziale Tiefenwirkungen wie die Spitzenleistung dieser ersten wirklichen Wissensgesellschaft, seit die aufgeklärten Inseln der Antike und der Renaissance im Meer des Unbegriffenen untergegangen waren, standen dabei in einem von der Mehrheit eher gefühlten als intellektuell durchdrungenen wechselseitigen Bedingungsverhältnis, das eben nicht so funktionierte wie heute die Breitenforschung der Wissenschaftsfellachen für Innocentive. Die Sache hatte (und hat noch, soweit sie in schützenswerten Rudimenten wie den Nobelpreisen oder dem gymnasialen und High-School-Naturwissenschaftsunterricht fortbesteht) statistischen, stochastischen Charakter, nicht lokal deterministisch kausalen: Die Leute ahnten (und einige, wie Bacon, wußten und bedachten), daß nicht nur ganz Holland malen muß, damit ein Rembrandt entsteht, sondern bald noch mehr ganz England Tiere, Pflanzen und Fossilien betrachten und mit Dampf experimentieren muß, damit das neunzehnte Jahrhundert wird, wie es wurde. Das Gießkannenprinzip der Übersichtsförderung ist sogar aus lokaler, individualistischer, klassisch liberaler Sicht, also nicht nur aus sozialistischer, einfach deshalb sinnvoll, weil man sich aus inneren logischen Gründen beispielsweise ja auch nicht vornehmen kann, dies oder jenes zu entdecken (eine Zeitlang kannten alle Schulkinder die Geschichte von dem Mann, der den Seeweg nach Indien finden wollte und etwas ganz anderes fand; die Bildhaftigkeit des Topos »Entdeckungsreise« machte die Geschichte besonders geeignet als Metapher für Vorgänge wie die Entdeckung des Penicillins oder den Moment, da Alan Turing, dem es eigentlich um relativ entrückte Probleme der Metamathematik ging, über den Computer stolperte).
Die Hand, die als erste mit dieser Gießkanne hantierte, war übrigens liberaler Apologetik zum Trotz keineswegs die unsichtbare des Marktes, sondern die sehr sichtbare des autokratischen Königs: Die ganze moderne organisierte Wissenschaft, das peer review- System, die Republik der Forschung ist eine Schöpfung des Absolutismus, der sozusagen treuhänderisch, vormundschaftlich und schirmherrlich für die aufsteigende neue Klasse seine Riesenmaschine »Staat« (die dem Kapitalismus, damals noch nicht aus dessen eigener Kraft, als ideeller Gesamtkapitalist entgegentritt, und nach und nach zur Agentur wird, zum »Ausschuß«, wie Marx sagt, der die Interessen aller Kapitalisten notfalls auch gegen einzelne, aus dem Ruder laufende unter ihnen durchsetzt) für diese neue Aufgabe zurichtete.
Das Versprechen der Verbesserung des allgemeinen, also öffentlichen wie privaten Lebens (auf dessen Herkunft, Schicksale und Aporien wir weiter unten ausführlich eingehen werden) war daher wie später bei der Erschaffung des Internets zunächst eins der Effizienzsteigerung staatlicher, nämlich militärischer Macht. Im siebzehnten Jahrhundert hatten die treibenden Kräfte der Weltverwissenschaftlichung zunächst damit zu tun, bessere Uhrwerke und leistungsfähigere Linsen herzustellen, damit die Marine ordentlich weit sehen und die Positionen ihrer Schiffe sicher berechnen konnte. Die Monarchien wußten, was sie an ihren »königlichen Gesellschaften« berufener Naturforscher hatten, zuerst an den englischen und französischen, bald auch solchen in rückständigeren Gegenden (den Wissenschaftler der Aufbruchsepoche zu finden, der nicht wie Newton oder auch unser oben erwähnter Tschirnhaus ein guter »Fürstenknecht« war, dürfte schwerfallen).
Modernisierung und
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