Der indigoblaue Schleier
gegen eine Handvoll Münzen eintauschen konnte, die uns für drei Tage ernährt hätten?«
»Oh ja.«
»Ich möchte ihn Euch schenken.«
»Was?!« Die Maharani glaubte, sich verhört zu haben.
»Nun ja, halb schenken, sozusagen. Ich wäre bereit, ihn Euch zu überlassen, wenn Ihr mir und Roshni im Gegenzug dabei behilflich sein könntet, ein sorgenfreies Leben in Würde zu führen. Wir brauchen keinen Palast und keine Reichtümer. Was wir hingegen brauchen, ist Sicherheit und Geborgenheit und die Gewissheit, dass wir dank Eures fürstlichen Schutzes nicht länger jedem Übeltäter wie Freiwild ausgeliefert sind.«
»Aber das hatte mein Gemahl Euch doch längst angeboten – ein Haus und eine lebenslange Rente.«
»Und darüber bin ich sehr glücklich. Roshni und ich sind Seiner Hoheit zu ewigem Dank verpflichtet. Aber versteht Ihr nicht? Um meinen inneren Frieden wiederzufinden, müsste ich wissen, dass es Vijay gutgeht. Andernfalls würde ich ihn zu uns holen. Des Weiteren möchte ich, dass die damaligen Vorfälle untersucht werden und dass, sollten sich meine Vermutungen als richtig erweisen, Onkel Manesh das Handwerk gelegt wird. Er soll zur Rechenschaft gezogen werden an dem Mord an meinem Vater, seinem eigenen Bruder!, sowie an dem Verbrechen, das er an mir und Roshni begangen hat. Ich möchte nicht für den Rest meines Lebens auf der Flucht vor diesem skrupellosen Hund und seiner nicht minder verwerflichen Frau sein. Wenn ich selber in meine Heimat zurückkehrte, würden die beiden sich schon etwas einfallen lassen, um mich erneut zum Werkzeug ihrer Gier und zum Objekt ihrer niederen Gelüste zu machen. Ihre Heimtücke übertrifft alles, was sich ein gesunder Geist ausmalen könnte. Ein Fremder jedoch, ein Gesandter der Maharadschas, der würde diese Nachforschungen anstellen können.«
Die Maharani runzelte die Stirn. Sie hatte keine Lust, in die Machenschaften dieser Leute hineingezogen zu werden, und noch viel weniger behagte ihr der Gedanke an die diplomatischen Verwicklungen, die dies nach sich ziehen könnte. Andererseits war ihr Gerechtigkeitssinn so ausgeprägt, dass sie Uma darin zustimmte, man müsse diesen Manesh aufhalten. Sie betrachtete erneut den Diamanten, der größer war als der in ihrem Hochzeitsdiadem, und sagte schließlich: »Wir werden darüber nachdenken.« Mit einem huldvollen Winken entließ sie Uma.
Es vergingen Monate, bevor Uma wieder von der Maharani empfangen wurde. Als Gästen des Palastes mangelte es Uma und Roshni zwar an nichts, doch die Ungewissheit lastete schwer auf ihnen. Auf jede ihrer Anfragen ließ die Maharani ausrichten, sie mögen sich noch gedulden. »Unsere Entscheidung ist noch nicht gefallen.« Unterdessen wurden Umas Zweifel an der Richtigkeit ihres Tuns immer lauter. Hätte sie ihre wahre Herkunft lieber verschweigen sollen? War es klug gewesen, den Diamanten vorzuzeigen?
Eines Tages war es endlich so weit: Uma wurde zu der Fürstengemahlin gerufen.
»Wir haben deine Geschichte überprüfen lassen.«
Uma hielt die Luft an.
»Und wir haben zu unserer größten Bestürzung herausfinden müssen, dass …«
Umas Gedanken purzelten wild durch ihren Kopf. Wie hatte Manesh die Darstellung der Ereignisse verfälscht, um seinen Hals zu retten? Welche Strafe harrte nun ihrer selbst?
»… dass alles der Wahrheit entsprach.« Die Maharani bemerkte das Schlucken ihres Gastes und fuhr schnell fort: »Wir haben Spione entsandt, die diskrete Befragungen vorgenommen haben – der Dienerschaft, deines Bruders, der Eheleute Manesh und Sita, der Söhne sowie der Gattinnen derselben, außerdem eurer Handlanger bei der Flucht, das heißt, des Brückenwächters, des vermeintlichen Diebs und der Leute, die Roshni und dir Unterschlupf gewährt haben. Unsere Spione haben weiterhin in Erfahrung gebracht, dass das Grundstück deines Vaters kurz nach dessen Verschwinden in den Besitz deines Onkels überging, der es jedoch bald mit beträchtlichem Gewinn veräußerte. Auch fanden sie heraus, dass dein Vater tatsächlich von gedungenen Mördern getötet wurde – einer dieser Männer befand sich im Kerker und legte ein Geständnis ab, nachdem man ihm Hafterleichterungen versprach. Natürlich wird seine erleichterte Haft nicht mehr allzu lange dauern. Auf Mord steht Enthauptung.«
Umas Kinn zitterte. Sie würde jeden Moment in Tränen ausbrechen, wo sie doch froh über den Gang der Dinge hätte sein sollen. Aber die endgültige Bestätigung, dass ihr geliebter abba tot
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