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Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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habe und wen wir getroffen haben? Ich brauche ja keine Angst mehr zu haben, ich kann Ihnen alles erzählen, denn ich komme hier nur in einer Holzkiste raus.«
    Er lässt seinem Gegenüber keine Möglichkeit, seine Frage zu beantworten. Mit leuchtenden Augen berichtet er weiter:
    »Wissen Sie eigentlich, wie viele ›Rattenfänger‹ hier einsitzen?«
    »Nein, was ist ein ›Rattenfänger‹? Es ist doch nicht strafbar, Ratten zu fangen?«
    »Die Ratten, die ich meine, schon. Unsere Bosse finden immer neue Wege, um an Geld zu kommen. In den reichen Ländern werden immer mehr Organe für verzweifelte Kranke benötigt, und natürlich haben wir uns da auch etwas einfallen lassen. Ich glaube, bei Ihnen nennt man das Organhandel. Hier in Russland schlägt die Organhandel-Mafia besonders hart zu.

    Die tiefe Armut des Landes ist ein idealer Nährboden. Nicht nur wir haben Kinder in die Krankenhäuser gebracht. Viele Eltern verkaufen ihre Kinder für gute Dollars an die Operationsteams. Doch diese Kinder überleben meist die Operationen.«
    »Davon habe ich gehört, aber was hat das mit Ratten zu tun?«
    »Na, Sie kennen doch die Straßenkinder? Die haben wir wie Ratten zusammengefangen, daher der Ausdruck ›Rattenfänger‹.«
    »Und was haben Sie mit diesen Kindern gemacht?«
    »Was schon, sie kamen nach Moskau oder Petersburg, dort hat man ihnen dann die Organe, die gebraucht wurden, entnommen.«
    »Waren das viele Kinder, die Sie nach Moskau oder Petersburg gebracht haben, und was geschah mit den Kindern, nachdem ihnen die Organe entnommen worden waren?«
    »Sie wurden buchstäblich ausgeweidet. Alles, was man medizinisch verwerten kann – und das ist eine Menge, wie ich erfahren habe –, entnimmt man diesen Körpern. Man entnimmt nicht eine Niere, sondern beide. Man entnimmt das Herz, eben alles, was man verkaufen kann. Keiner dieser Patienten überlebte diese ›Operationen‹. So war es dann unsere Aufgabe, diese Kinder auf einem einsamen Waldstück abzuladen. Wir waren eigentlich froh und hatten keine Bedenken, unser Land von solchen Ratten zu befreien. Ratten erschlägt man normalerweise mit einem Prügel, sie dagegen durften unter Narkose sterben. Sie hatten doch keine Schmerzen. Als wir sie in die Kliniken fuhren, wussten sie doch gar nicht, was mit ihnen geschieht. Mit Lastwagen haben wir unsere Patienten gefesselt nach Moskau gekarrt. Die Ärzte der Großstädte brauchten doch immer mehr Organe. Sie fielen niemandem auf, niemand vermisste sie, das war unser großes Glück.«
    »Wie viele solcher Kinder haben Sie in diese – nennen wir es einmal so – ›Kliniken‹ gebracht?«
    »Wären wir nicht verhaftet worden, gäbe es in Sibirien heute wohl keine Straßenkinder mehr. Das wäre ein Segen für dieses Land gewesen. Da brauchen Sie kein Mitleid zu haben. Die sind doch zu nichts mehr nütze, sie stehlen, rauben Betrunkene aus und gehen auf den Strich. Durch ihre Operationen helfen sie wenigstens noch anständigen Menschen auf der ganzen Welt.«
    »Haben Sie selbst Kinder?«
    »Natürlich nicht, bei unserer Organisation darf niemand als Vollstrecker arbeiten, der eine Familie hat. Aber was soll’s, Frauen hatten wir genug. Schöne Frauen, ja vielleicht die schönsten unseres Landes.«

Die Kinder der Stadt
    Windschiefe Häuser, dem Einsturz nahe, aber verzierte Fensterrahmen, das ist das Bild der Altstadt von Nowokusnezk.
    Ein alter Mann schlurft mit seinen Hausschuhen durch die Straßen und wartet darauf, dass ihn jemand anspricht. Er bleibt an dem alten Brunnen stehen, wie seit vielen Jahren – doch im Brunnen ist schon längst kein frisches Wasser mehr. Die Wasser speienden Skulpturen dieses Brunnens sind schon lange versiegt.
    Wild lebende Hunde streichen durch die Stadt, mit nur einem Verlangen: genügend Fressen für den Tag zu finden. Den Menschen gehen sie längst aus dem Weg, da von diesen sowieso nur Fußtritte zu erwarten sind. Tritte, die nicht nur Tiere erleiden müssen; es gibt auch andere Lebewesen, die diese Gosse der Not mit ihnen teilen. Es sind Menschen –
    Menschen, die auf der Straße leben und nach Essbarem suchen.
    Sie sind zwischen neun und fünfzehn Jahren alt, immer darum bemüht, den nächsten Tag zu erleben. Ihre Gesichter zeigen einen mongolischen Einschlag, das pechschwarze Haar ist voller Läuse und hängt ihnen in Strähnen herab.
    Viele dieser Kinder müssen die Triebe betrunkener und perverser Individuen befriedigen. Sie werden geschändet von Menschen, die sich in den

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