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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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vorwurfsvoll zu Watutin. Der Oberst beobachtete den Gefangenen mehrere Minuten lang durch den Glasfaserspion. Filitow hatte sich hingelegt und sich bei dem erfolglosen Versuch, Schlaf zu finden, rastlos herumgewälzt. Anschließend waren Übelkeit und Durchfall gefolgt; nach der hohen Koffeindosis, die ihm den Schlaf raubte, unvermeidlich. Schließlich stand Filitow wieder auf und ging wie seit Stunden in der Zelle hin und her, um sich zu ermüden.
    Â»Schaffen Sie ihn in zwanzig Minuten hoch.« Der KGB-Oberst schaute seinen Untergebenen amüsiert an. Er hatte nur sieben Stunden geschlafen und sich im Lauf der vergangenen zwei davon überzeugt, daß alle Befehle, die er vorm Hinlegen gegeben hatte, auch voll ausgeführt worden waren. Dann hatte er sich geduscht und rasiert. Ein Bote hatte eine frische Uniform aus seiner Wohnung geholt, eine Ordonnanz seine Stiefel spiegelblank poliert. Watutin beendete sein Frühstück und ließ sich noch eine Tasse Kaffee aus der Offiziersmesse kommen. Die Blicke der anderen Mitglieder seines Vernehmungsteams ignorierte er und bedachte sie noch nicht einmal mit einem kryptischen Lächeln, um anzudeuten, daß er wußte, was er tat. Watutin wischte sich den Mund ab, stand auf und ging in den Vernehmungsraum.

    Dort setzte er sich an einen Tisch, unter dessen Platte mehrere Knöpfe verdeckt angebracht waren. In den Wänden waren Mikrophone versteckt, und durch den Spiegel konnte man den Gefangenen vom Nebenraum aus beobachten und fotografieren.
    Watutin nahm die Akte heraus und ging noch einmal seinen Plan durch. Selbstverständlich hatte er sich schon alles genau zurechtgelegt; auch der Wortlaut seiner Meldung an den Vorsitzenden Gerasimow stand bereits fest. Er schaute auf die Armbanduhr, nickte zum Spiegel hin und bereitete sich dann innerlich vor.
    Filitow traf pünktlich ein.
    Er sah stark aus, wie Watutin feststellte. Stark, aber abgespannt. Das lag am Koffein, das man seiner letzten Mahlzeit zugesetzt hatte. Seine Fassade war hart, aber dünn und zerbrechlich. Inzwischen wirkte Filitow gereizt. Bislang hatte er nur Entschlossenheit ausgestrahlt.
    Â»Guten Morgen, Filitow«, sagte Watutin und schaute kaum auf.
    Â»Für Sie immer noch Oberst Filitow. Wann hat diese Scharade eigentlich ein Ende?«
    Das glaubt er wahrscheinlich selbst, sagte sich Watutin. Der Gefangene hatte nun schon so oft wiedergegeben, wie die Filmkassette von Watutins Hand in seine gelangt war, daß er die Version inzwischen halb glaubte. Das war nicht ungewöhnlich. Er nahm unaufgefordert Platz, und Watutin winkte den Wärter hinaus.
    Â»Wann haben Sie beschlossen, die Heimat zu verraten?« fragte Watutin.
    Â»Wann haben Sie beschlossen, kleine Jungs zu ficken?« gab der alte Mann zornig zurück.
    Â»Filitow – Verzeihung, Oberst Filitow – Sie wissen, daß Sie mit einer Mikrofilmkassette in der Hand keine zwei Meter von einer amerikanischen Geheimdienstagentin entfernt verhaftet wurden. Die Filmkassette enthielt hochgeheime Informationen über eine Verteidigungseinrichtung. Das steht außer Frage, wenn ich Ihrem Gedächtnis noch einmal nachhelfen darf«, erklärte Watutin geduldig. »Mir
kommt es jetzt nur noch darauf an zu klären, wie lange Sie das schon treiben.«
    Â»Sie können mich mal«, versetzte Mischa. Watutin fiel auf, daß seine Hände leicht zitterten. »Ich bin dreifacher Held der Sowjetunion. Ich habe schon Feinde dieses Landes getötet, als Sie noch nicht einmal auf der Welt waren. Und Sie wagen es, mich einen Verräter zu heißen?«
    Â»Mischa, als Gymnasiast habe ich von Ihnen gelesen. Mischa, der Panzerteufel. Mischa, der Held von Stalingrad. Mischa, der Deutschenfresser. Mischa, Anführer des Gegenangriffs bei Kursk. Mischa«, schloß Watutin, »der Landesverräter.«
    Mischa winkte ab und betrachtete sich ärgerlich seine zitternde Hand. »Vor tschekisti habe ich nie viel Respekt gehabt. Wenn ich mit meinen Männern zum Angriff antrat, saßen die immer hinten. Tüchtig waren sie allerdings im Erschießen von Gefangenen, die richtige Soldaten gemacht hatten. Auch aufs Ermorden von Soldaten, die zum Rückzug gezwungen worden waren, verstanden sie sich gut. Ich kann mich an einen Fall erinnern: Ein Leutnant der tschekisti übernahm einen Panzerverband und führte ihn in einen Sumpf. Die Deutschen, gegen die ich kämpfte, haßte ich zwar, aber

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