Der Kartograph
gerade in dem
Moment umgedreht, als der Angreifer Euch eins überziehen wollte.
Sonst hätte der Hieb leicht tödlich sein können. So hat
er Euch nur gestreift. Außerdem scheint Ihr einen ziemlich
widerstandsfähigen Schädel zu haben.»
Martin Waldseemüller richtete sich auf. Erneut verstärkte sich das schmerzhafte Klopfen im Kopf.
«Ich denke, Ihr seid mir eine Erklärung schuldig»,
meinte der Straßburger Drucker ruhig. «Habt Ihr Euren
Angreifer erkannt?»
Waldseemüller erinnerte sich nur an einen dunklen Schemen und ein
paar brennende dunkle Augen voller Hass. Doch beim besten Willen an
kein Gesicht. «Nein, ich habe ihn noch nie gesehen»,
erwiderte er. «Aber ich denke trotzdem, dass Ihr wissen solltet,
warum ich mit Matthias Ringmann nach Straßburg kam. Der Grund war
keineswegs ausschließlich, dass ich in Eurer Druckerei meine
Kunstfertigkeit im Holzschnitt verfeinern wollte. Das kommt mir zwar
sehr gelegen, die Ursache aber ist in ähnlichen Vorfällen in
Basel zu suchen. Ich bin schon einmal überfallen worden. Danach
wurde meine Bleibe durchwühlt, eine für mich sehr wertvolle
Karte ist verschwunden. Und dann fand sich in meiner Kammer, auf meinem
Bett ein Ermordeter in seinem Blut. Jemand hatte ihn erstochen. Ich
hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen. Philesius kann
bestätigen, dass ich mit dem Tod dieses Menschen nicht das
Geringste zu schaffen habe. Wenn ich nur wüsste, wo die Ursache
von all dem zu suchen ist! Vielleicht ist es besser, ich gehe auch von
hier fort. Sonst bringe ich vielleicht noch Euch und Eure Familie in
Gefahr.»
Grüninger reichte ihm einen Becher Wasser. «Hier, trinkt.»
Während Martin Waldseemüller mit langen Zügen den Becher
leerte, beobachtete Grüninger ihn nachdenklich. Dann hellte sich
das Gesicht des Druckers wieder auf. «Nein, Ihr werdet nirgendwo
hingehen. Ich glaube Euch, dass Ihr unschuldig seid. Allerdings scheint
es Menschen zu geben, die Euch ziemlich übel wollen. Ihr solltet
den Vorfall melden. Leider ist Euer Angreifer außerdem bei der
ganzen Panik um Euch herum im Gewühl der Menschen entkommen.»
«Nein, das geht nicht», meldete sich Matthias Ringmann zu
Wort. «Wahrscheinlich sind Häscher aus Basel hinter unserem
Freund her. Die Basler scheinen nämlich zu glauben, dass er
durchaus etwas mit dem Tod dieses fremden Mannes zu tun hat. Aber ich
versichere Euch, Meister Grüninger, das ist keineswegs der Fall.
Ilacomylus war mit mir bei unserem gemeinsamen Freund Amerbach, als der
Mord geschah. Da wollte ihm jemand etwas in seine – ohnehin schon
ziemlich abgetragenen – Schuhe schieben. Das ist jedenfalls meine
Meinung. Aus diesem Grund wäre es deshalb besser, wenn unser
Freund hier nicht allzu viel Wirbel bei den Ämtern machte.»
Grüninger schob seinen wuchtigen Körper zum Fenster der
kleinen Stube, in der Waldseemüller aufgewacht war, und schaute
für einige Momente gedankenversunken auf die Straße
hinunter. Dann drehte er sich wieder um. Auf die beiden anderen
Männer wirkte er im Gegenlicht wie ein unüberwindlicher,
dunkler Berg. «Ich bin froh, dass Ihr mit mir gesprochen habt.
Mir schwante schon lange, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Mein
Freund Amerbach hält große Stücke auf Euch, das schrieb
er mir. Er glaubt, dass Ihr einmal einer der ganz großen
Köpfe unserer Zeit werden könntet.»
«Aber nur, wenn er sich nicht dauernd eins über den
Schädel ziehen lässt», witzelte Matthias Ringmann.
Martin Waldseemüller musste unwillkürlich in das
Gelächter einstimmen. Was seinen malträtierten Kopf erneut
schmerzhaft durcheinander schüttelte. Durch Ringmanns Scherz hatte
sich die Atmosphäre im Raum merklich entspannt.
Grüninger schien sich jetzt seiner Entscheidung sicher zu sein.
«Nein, Ihr werdet bleiben. Hier in Straßburg leben
anständige Leute, und hier seid Ihr mindestens ebenso sicher wie
anderswo.»
«Aber Ihr könntet selbst in Gefahr geraten», wandte Waldseemüller erneut ein.
«Den Mann möchte ich erst einmal sehen, der mir eins
über den Schädel zieht. Da müsste er erst einmal an
meiner Wampe vorbei, und das dürfte schwierig werden. Sie ist zu
ausladend», dröhnte Grüninger und streichelte seinen
beachtlichen Bauch. «Und was meine Familie betrifft: Babette,
mein Weib, ist durch Männer nicht so leicht zu beeindrucken. Wer
auch immer sie sein mögen. Sie hingegen ist mit ihrem christlichen
Zorn durchaus in der Lage, auch den Stärksten in die Flucht zu
schlagen. Meine Söhne Bartholomäus und
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