Der Kelim der Prinzessin
leuchtete dem Komtur ein.
»Zumindest gab er sich den Anschein!«, wie mir Yves später anvertraute.
Inzwischen traf auch die Großmeisterliche Galeere ein, sie war von Askalon, der südlichsten Niederlassung des Ordens, herauf-398
gekommen und der Kapitän teilte uns mit, dass ein von Kitbogha ausgesandtes Heer Nablus und Gazah erobert habe.
»Eine klare Herausforderung der Mamelucken von Ägypten«, bemerkte Yves der Bretone ungerührt. Die Anwesenheit des Großmeisters hatte ihm den Status eines Sonderbevollmächtigten des Königs von Frankreich zurückgegeben, den der Komtur Marc de Montbard bislang ignoriert hatte. Mit bei Templern seltener Einsichtigkeit begann sich der Komtur mehr und mehr an den Bretonen anzulehnen, denn der musste, wie er selbst, vor Ort in Outremer ausharren und konnte sich nicht nach Europa absetzen.
»Qutuz, der Sultan von Kairo«, gab Herr Thomas Berard zu bedenken, »weiß genau, dass der Il-Khan einen großen Teil des mongolischen Heeres abgezogen hat. Er wird es - nach dieser Provokation - auf eine militärische Auseinandersetzung ankommen lassen.«
»Also Krieg?!«, sagte Herr Marc de Montbard nicht etwa mit Schaudern, auch nicht mit klammheimlicher Genugtuung, sondern mit dieser deutlich spürbaren Geilheit aller Templer, die ich kannte, auf jede Art von Waffengang - meinen Freund David von Bosra mal ausgenommen.
Der Großmeister nickte sinnend. »Lasst alle Kisten mit diesem Gold auf mein Schiff bringen!«, befahl er überraschend, der Komtur war so verwirrt, dass er sich zu einer Reaktion hinreißen ließ, die weder dem Gebot absoluten Gehorsams entsprach noch von besonderer Tapferkeit zeugte.
»Aber - aber das ist unser Todesurteil!«, entfuhr es ihm. Sein Großmeister maß ihn mit einem Blick, der vernichtender war, als jede Hinrichtung es sein konnte.
»Euer Leben gehört dem Orden«, befand er trocken. »Euer Tod hätte Euch zur Ehre gereichen können - « Er ließ die Worte grausam lang im Raum stehen, dann sagte er leichthin: »Meine Galeere wird voll beladen Sidon verlassen, aber ohne mich. Damit sind die Beweisstücke außer Landes!«, erklärte er befriedigt. »Ich bleibe auf meinem Posten zu Akkon« - er sah den Komtur nicht einmal mehr an - »so wie Ihr, Marc de Montbard, auf dem Euren!« Sein Blick lag auf Yves, dem die Worte jedoch nicht galten. »Vielleicht
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sind ja die Mamelucken schneller als die Mongolen, und sonst habt Ihr ihnen ja noch die Prinzessin anzubieten -
im Tausch für Euer kostbares Leben!«
Ich sah hinüber zu Yves. Er verzog keine Miene. Da wusste ich, dass Yeza mitnichten Pfand sein würde, so wie sich der Großmeister des Tempels das vorzustellen beliebte. Ich vertraute der Findigkeit des Bretonen.
Allerdings war Yeza damit erst mal wieder Gefangene, auch wenn sie nichts davon ahnte.
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PHÖNIX AUS DERASCHE
DER TOD DES ROTEN FALKEN
ZU DAMASKUS IM VERWAISTEN SULTANSPALAST tagte die mongolische Heeresführung. Den Vorsitz
führte der betagte Kitbogha, den die Schläge der letzten Tage sichtbar gezeichnet hatten. Sein Neffe Khazar erschlagen, sein jüngster Sohn Baitschu, den der Alte abgöttisch liebte, war seit dem üblen Hinterhalt der Templer, die mit diesem Julian von Sidon unter einer Decke steckten, spurlos verschwunden, desgleichen das Königliche Paar, auf dem alle Hoffnung der Mongolen ruhte.
»Und dies ganz im Besondern«, trug er den wenigen ihm verbliebenen Generälen vor, »seitdem durch den Abzug unseres verehrten Il-Khan die Armee der Mongolen erheblich geschwächt ist - «
Diese fatalistische Haltung empörte den General Sundchak. »Was jammert Ihr diesen nutzlosen Friedenskönigen nach?!« Der Fleischerhund schnaubte in die Runde, damit sich der Alte nicht unmittelbar angegriffen fühlen sollte. »Wir haben zwei Hundertschaften verloren, durch die Unfähigkeit eines Unterführers, der dazu - «
Die gebieterisch erhobene Hand des Oberkommandierenden ließ ihn verstummen, Kitbogha war zornig.
»General Sundchak!«, donnerte die Stimme. »Wenn es Eure strategische Weitsicht für erforderlich hält, dann könnt Ihr gern gegen Sidon vorgehen und Euren Rotglühenden Schwengel am kalten Stahl der dortigen Templer kühlen - «
»Heißer Strahl gegen kalten Stahl!«, fauchte der trotzig. »Ich werd' denen so lange auf die Eier zischen, bis sie das geraubte Gold wieder ausspucken, das schließlich dem Il-Khan gehört!«
»Dann erledigt Euer dringendes Bedürfnis bitte rasch, denn wir
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brauchen die Truppen für
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