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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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brach noch ein Brett.

    Als das Wasser ihm entgegenflog, packte Danny würgende Angst. Wirr durchzuckte ihn die Warnung seines Vaters, die er vor langer Zeit gehört hatte: Luft anhalten, Mund zumachen. Dann prallte das Wasser in seine Ohren, ein Schrei staute sich auf seinen Lippen, und entsetzt starrte er in grüne Dunkelheit.
    Er tauchte hinab. Dann trafen seine Füße wie durch ein Wunder auf den Grund. Danny sprang in die Höhe, stieg rudernd und prustend durch das Wasser hinauf und brach wie ein Torpedo durch die Wasseroberfläche. So hoch sprang er, dass er gerade genug Zeit hatte, um einmal wild zu japsen, bevor er wieder unterging.
    Dunkelheit und Stille. Das Wasser, so schien es, reichte nur
drei Handbreit über seinen Kopf. Über ihm leuchtete es grün, und wieder stieß er sich vom Grund ab, durch Schichten von Grün, die immer heller wurden, je höher er stieg, und brach rauschend ans Licht. Es schien besser zu klappen, wenn er die Arme am Körper hielt, statt herumzurudern, wie ein Schwimmer es tun sollte.
    Er sprang und schnappte nach Luft und versuchte, sich zu orientieren. Sonnenlicht flutete in den Tank. Das Licht strömte durch den eingebrochenen Teil des Daches, und die grünschleimigen Wände glitzerten grausig. Nach zwei oder drei Sprüngen hatte er auf der linken Seite die Leiter entdeckt.
    War das zu schaffen?, fragte er sich, als das Wasser wieder über seinem Kopf zusammenschlug. Wenn er Stück für Stück darauf zusprang – warum nicht? Er musste es versuchen, denn eine bessere Möglichkeit gab es nicht.
    Er brach durch die Oberfläche, und mit einem schmerzhaften Schock – so schneidend, dass er im falschen Augenblick einatmete – sah er die Kleine. Sie hing mit beiden Händen an der untersten Sprosse der Leiter.
    Hatte er Halluzinationen?, fragte er sich beim Abtauchen; er hustete, und Luftblasen strömten an seinen Augen vorbei. Denn das Gesicht war ihm sonderbar vorgekommen: Einen gespenstischen Augenblick lang war es nicht die Kleine gewesen, die er gesehen hatte, sondern die alte Lady: E. Cleve.
    Würgend und japsend tauchte er wieder auf. Nein, kein Zweifel, es war das Mädchen, und sie lebte noch: halb ertrunken und mit verkniffenen Zügen, die Augen dunkel in einem kränklich weißen Gesicht. Der Nachglanz dieses Bildes glühte rund hinter seinen Lidern, als er wieder im dunklen Wasser versank.
    Explosionsartig tauchte er wieder auf. Das Mädchen arbeitete sich jetzt mühsam hoch, klammerte sich an die Sprosse, schwang ein Knie hoch, zog sich an der Leiter in die Höhe. Weißer Gischt sprühte empor, als er weit ausholend nach ihrem Knöchel griff und ihn verfehlte und wieder untertauchte.
    Bei seinem nächsten Sprung bekam er die unterste Sprosse zu fassen, aber sie war rostig und glitschig, und seine Finger
glitten ab. Wieder sprang er und griff mit beiden Händen zu, und diesmal fand er Halt. Das Mädchen war über ihm auf der Leiter und kletterte wie ein Äffchen nach oben. Das Wasser troff von ihr herunter in sein aufwärts gewandtes Gesicht. Mit einer Kraft, die aus der Wut geboren war, zog Danny sich hoch, und das rostige Metall schrie unter seinem Gewicht wie ein lebendes Wesen. Unmittelbar über ihm gab eine Sprosse unter dem Turnschuh des Mädchens nach; er sah, wie sie taumelte und sich an der Seite der Leiter festklammerte, als ihr Fuß ins Leere trat. Sie trägt sie nicht, dachte er staunend, und er sah, wie sie sich fing und sich aufrichtete und ein Bein auf das Dach des Tanks schwang, und wenn sie sie nicht trägt, dann...
    Die Sprosse brach in Dannys Fäusten. In einer einzigen, schnellen, schneidenden Bewegung – wie wenn man spröde Körner von einem Grashalm streift – fiel er durch die Leiter hinab, durch die verrosteten Sprossen zurück in den Tank.

    Mit rostroten Händen zog sich Harriet vollends hoch und ließ sich keuchend vornüber auf die heißen Planken fallen. In der tiefblauen Ferne grollte der Donner. Die Sonne war hinter einer Wolke verschwunden, und ein rastloser Wind, der die Baumwipfel hin und her wiegte, ließ sie frösteln. Das Dach zwischen ihr und der Leiter war teilweise eingebrochen, und die geborstenen Bretter hingen schief in ein riesiges Loch. Ihr Atem rasselte unkontrolliert und laut, ein panisches Geräusch, bei dem ihr übel wurde, und als sie sich auf Händen und Knien aufrichtete, durchzuckte ein stechender Schmerz ihre Seite.
    Aus dem Tank erscholl ein wildes Geplatsche. Sie ließ sich auf den Bauch fallen und kroch unter

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