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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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während Ginevra gedankenverloren vor sich hin summte. Es war das
Duett, das sie so gerne mit Lanzelot gesungen hatte. Als ihr dies bewußt wurde,
brach sie jäh ab.
    »So, Madam. Sieht aus, als würden die Tage
wieder länger.«
    »Ja, bald wird’s wieder Frühling.«
    Agnes setzte sich und nähte im rauchigen
Licht weiter und nahm ihre Betrachtungen dort wieder auf, wo sie sie
unterbrochen hatte. »Und was hat der König dazu gesagt?«
    »Er hat geweint, als er sah, wie Gawaine
geschont wurde. Da sind ihm Erinnerungen gekommen, und ihm ist regelrecht übel
geworden.«
    »War das ein ›Nervenzusammenbruch‹, oder
wie man das nennt, Madam?«
    »Ja, Agnes. Er ist aus Kummer krank
geworden. Und Gawaine hat eine Gehirnerschütterung gehabt. Da ging’s ihnen
beiden nicht gut. Die Ritter aber halten die Belagerung aufrecht.«
    »Ein sehr erfreulicher Brief ist’s also
wohl nicht, Madam?«
    »Nein, wirklich nicht.«
    »Ich hab’ mal einen Brief gekriegt – aber
es heißt ja: Schlechte Nachrichten reisen am schnellsten.«
    »Heute sind’s immer nur Briefe – jetzt, wo
der Hof leer ist und die Welt geteilt und niemand übrig als der
Reichsstatthalter.«
    »Ja, Sir Mordred. Ich hab’ ihn und sein
Benehmen noch nie ausstehn können. Wieso geht er unter die Leut’, hält große
Reden und schwenkt den Hut, bis sie heil und hurra schreien? Weshalb kann er
sich nicht ’n bißchen fröhlicher anziehn, statt dauernd in Schwarz rumzulaufen,
als ob er der Büttel des Jüngsten Gerichts wär’? Er hat’s Sir Gawaine
abgeguckt, möcht’ ich meinen.«
    »Die Uniform soll eine Trauerkleidung
sein, wegen Gareth.«
    »Dem hat Sir Gareth doch niemals was
bedeutet, dem doch nicht. Ich glaub’ nicht, daß dem überhaupt jemand was bedeutet.«
    »Seine Mutter hat ihm viel bedeutet,
Agnes.«
    »Aye, und dafür hat sie die Kehle aufgeschlitzt gekriegt. Ist
schon ein sonderbares Pack, die ganze Horde.«
    »Königin Morgause«, sagte Ginevra
nachdenklich, »muß eine merkwürdige Person gewesen sein. Es ist ja
allgemein bekannt, jetzt, da Mordred Reichsstatthalter ist; also kann man ruhig
darüber reden. Aber sie muß eine kraftvolle Person gewesen sein, daß sie unsern
König in ihren Bann ziehen konnte, als sie selber schon vier große Söhne hatte.
Nun ja, und Sir Lamorak hat sie sich gekapert, als sie bereits Großmutter war.
Für ihre Söhne muß sie eine ungeheure Faszination gehabt haben, wenn einer von
ihnen sich ihretwegen derart enragierte, daß er sie umbrachte. An die siebzig
war sie damals. Agnes, ich glaube, sie hat Mordred gefressen, ausgesogen wie
eine Spinne.«
    »Eine Zeitlang hat man darüber gemunkelt,
daß die Cornwall-Schwestern Hexen seien. Die schlimmste von ihnen war natürlich
Morgan le Fay. Aber die Morgause da, die hat ihr nich’ viel nachgegeben.«
    »Man könnte Mitleid mit Mordred haben.«
    »Ihr solltet Euer Mitleid für Euch
behalten, Herrin, denn von ihm kriegt Ihr keins.«
    »Er hat sich immer höflich gegeben, seit
er in unsrer Obhut ist.«
    »Ach, höflich, das schon. Stille Wasser
gründen tief.«
    Ginevra dachte darüber nach, während sie
ihr Nähzeug ans Licht hielt. Mit einiger Besorgnis fragte sie: »Du glaubst doch
nicht, daß Sir Mordred etwas im Schilde führt, Agnes?«
    »Er ist ein Finsterling.«
    »Er wird doch nichts Böses tun, wenn der
König ihn eigens eingesetzt hat, nach dem Land zu sehen und auf uns
achtzugeben?«
    »Den König, Madam, den versteh’ ich
sowieso nich’ die Spur, wenn Ihr mir die Freiheit erlaubt. Zuerst geht er los
und kämpft gegen seinen besten Freund, weil Sir Gawaine ihm das eingeredet hat,
und dann macht er seinen erbittertsten Feind zum Statthalter. Wieso handelt er
denn bloß derart blind?«
    »Mordred hat nie die Gesetze gebrochen.«
    »Weil er zu gerissen ist.«
    »Der König hat gesagt, Mordred solle der
Thron-Erbe sein, und man könne nicht zur gleichen Zeit den König und seinen
Erben aus dem Lande lassen. Also mußte Mordred natürlich als Protektor
zurückbleiben. Das war doch nur recht und angemessen.«
    »Ach, Madam, da kommt doch nie und nimmer
was Gutes dabei raus.«
    Sie nähten.
    Agnes fügte hinzu: »Der König hätte dann
eben dableiben müssen, ja, und Sir Mordred hätte er gehenlassen sollen.«
    »Ich wollte, er hätt’s getan.«
    Später erklärte sie: »Ich glaube, der
König will in der Nähe von Gawaine bleiben – für den Fall, daß er zwischen
ihnen vermitteln kann.«
    Beunruhigt stichelte sie weiter; die
Nadeln fuhren blinkend

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