Der Krake
Stadt auf dem Laufenden hielt, wusste, dass Goss und Subby zurück waren. Goss, von dem es hieß, er hätte kein Herz mehr und fürchte folglich gar nichts, und Subby, zu dem niemandem viel einfiel. Sie waren wieder da, um wieder einmal nur noch einen letzten Job durchzuziehen. Dergleichen war gerade recht verbreitet. Dieses Mal wurden sie vom Tattoo bezahlt, und ihr Job hatte etwas mit dem Verschwinden des Kraken - Kalmarnapping, wenn man so will - zu tun, das entweder vom Tattoo eingefädelt worden war oder nicht, je nachdem, welchen Gerüchten man bevorzugt Glauben schenken wollte.
Ob er nun dahintersteckte oder nicht, er machte Druck. Wie es schien, reichte es ihm nicht, sein Korps merkwürdiger, von Selbsthass getriebener, faustköpfiger Schläger zu befehligen und über eine Schar veränderter, zerstörter Gestrafter zu gebieten, die mit ihren mechanischen und elektrischen Erweiterungen von Loch zu Loch stolperten, Anweisungen weitergaben und stupide Informationen sammelten. Nun hatte er auch noch Goss und Subby und den ganzen Rest der schlimmsten Söldner von London auf Dane Parnell angesetzt, der - schon gehört? - bei den Krakenisten geschasst worden war.
In Abhängigkeit von der komplexen theopolitischen Situation wurden Loyalitätsabkommen und temporäre Zusammenschlüsse für einen Krieg geschmiedet, von dem jeder ahnte, dass er jederzeit ausbrechen würde. Das hatte alles mit dem Grauen zu tun, das jeder spüren konnte.
Tattoo rief seine Außenseiter. Er schickte einen seiner kaputten Maschinenmenschen, damit der bei den schlimmsten seiner Blutzolleintreiber nachhakte, ob sie ihm schon Neuigkeiten zu bieten hatten. Und er sorgte dafür, dass sein spezielles Angebot überall bekannt wurde. Eine Strategie des Terrors. Ganz richtig. Wir sind so böse.
Jean Montagne war der leitende Sicherheitsmann vom Dienst am Eingang zu Londons zweitnobelstem Auktionshaus. Er war 46 und vor beinahe zwei Jahrzehnten aus Frankreich in die Stadt gezogen. Jean hatte drei Kinder, allerdings hatte er zu seinem großen Bedauern kaum Kontakt zu seiner ältesten Tochter, bei deren Zeugung er noch viel zu jung gewesen war. Jean war ein versierter Thaiboxer.
Er war schon seit mehreren Jahren als Schichtleiter tätig und hatte seine Fähigkeiten stets erfolgreich unter Beweis gestellt, wenn wieder einmal ein Verrückter versucht hatte, sich Zutritt zu verschaffen und irgendein Artefakt oder einen anderen zum Verkauf stehenden Gegenstand in seinen Besitz zu bringen - zumeist mit der Behauptung, er gehöre ihm und sei ihm rechtswidrig abgenommen worden. Jean war vorsichtig und höflich. Er war ziemlich sicher, dass er das Gesicht jedes Mitarbeiters des Hauses kannte, und er kannte nicht wenige mit Namen.
»Morgen.«
»Morgen.«
»Morgen, Jean.«
»Morgen.«
»Was ...?« Der Mann, den der Torwächter aufgehalten hatte, blickte mit einem entschuldigenden Lächeln zu ihm auf und hielt ihm seine Karte hin.
»Hey, guten Morgen«, sagte Jean. Der Mann war Anfang vierzig, hager und hatte säuberlich kurz geschorenes Haar mit einer beginnenden Glatze. »Falsche Karte«, sagte Jean. Der Bursche arbeitete im Einkauf, glaubte er. Mike war sein Name, glaubte er. Der Mann lachte über seinen Fehler. Er hielt eine Kreditkarte in der Hand.
»Tut mir leid, da habe ich mich wohl vergriffen.« Er klopfte seine Anzugtaschen ab auf der Suche nach der richtigen Karte.
»Schon gut.« Jean drückte den Türöffner, um Mike, zumindest glaubte er, er wäre Mike, zu seinem Arbeitsplatz im Einkauf zu lassen. Oder in der Buchhaltung. »Schönen Tag wünsche ich. Bringen Sie mir die Karte beim nächsten Mal wieder mit.«
»Alles klar«, sagte der Mann. »Danke.« Er ging in Richtung der Aufzüge, und Jean hatte keinerlei Bedenken bei der ganzen Sache.
Maddy Singh war Büroleiterin in der Verkaufsabteilung. Sie war 38, gut gekleidet und homosexuell auf eine nicht offensive, aber auch nicht verleugnende Weise. Sie mochte das Ballett, besonders die traditionellen Darbietungen.
»Morgen.«
Sie schaute den Mann an, der auf sie zukam.
»Hi«, antwortete sie. Sie kannte ihn und wühlte in ihrem Gedächtnis nach seinem Namen.
»Ich muss etwas überprüfen«, sagte er. Maddy sprach nicht mehr mit ihrem Bruder, seit sie einmal übel aneinandergeraten waren.
Der Mann feixte, hob die rechte Hand und spreizte die Finger zwischen Mittel- und Ringfinger.
»Lebe lang und erfolgreich.«
»Lebe lang und in Frieden«, korrigierte sie. Er hieß Joel, da war sie
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