Der Krake
Schreckliches an. Sie sagten, die Engel verließen ihre Korridore und die Aufgaben, die sie ins Sein gestoßen hatten. Sie kämpften für die Erinnerung und gegen eine bösartige Gewissheit, die wie die Toten durch die Straßen wanderte.
»Wir suchen also nicht nur irgendeinen Portierer«, sagte Wati, »sondern jemanden, der sich mit einem Engel der Erinnerung messen und ihn besiegen kann.«
»Wurde er denn besiegt?«, fragte Billy. »Ihr redet mit dem Mann, der einen Kerl in einem Glas gefunden hat.« Sie sahen einander an.
»Wir brauchen mehr Informationen«, sagte Dane.
»Geht zu den Wahrsagern«, schlug Wati vor. »Zu den Londonmantikern.«
»Wir wissen, was die sagen werden. Du kennst die Aufzeichnung. Der Teuthex hat bereits mit ihnen gesprochen ...« Aber dann zögerte Dane.
»Werden die uns nicht verpfeifen?«, fragte Billy.
»Sie sind neutral«, entgegnete Wati. »Sie können sich nicht einmischen.«
»Die Schweiz der Magie?«, bemerkte Billy.
»Die sind gar nichts«, sagte Dane, aber er hörte sich wieder zögerlich an. »Sie waren die Ersten, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Wati.
»Das ist, als wären sie wieder zu echten Orakeln geworden«, sagte Dane. »Vielleicht.«
»Aber ist es nicht gefährlich für uns, sie aufzusuchen? Jemand könnte davon erfahren«, wandte Billy ein.
»Tja«, sagte Dane, »es gibt eine Möglichkeit, sie dazu zu bringen, unser Geheimnis zu wahren.« Er lächelte. »Wenn wir sie ohnehin besuchen ...«
Wer A sagt, muss auch B sagen. Wie sonst hätten sie innerhalb der Machtmechanismen Londons so lange bestehen sollen? Nutze ihre Dienste, und die Londonmantiker sind wie Ärzte und katholische Priester zum Schweigen verpflichtet.
33
Es gibt Millionen Londoner, und die große Masse weiß nichts über dieses andere Wegenetz, über die Stadt des Kunstens und der Häresie. Der Alltag dieser Millionen ist nicht alltäglicher als der der Magier. Das Ausmaß der sichtbaren Stadt lässt die überwiegend unsichtbare klein erscheinen, doch dieses Unsichtbare ist nicht der einzige Ort, der Erstaunliches zu bieten hat.
Im Moment jedoch war das Drama in der weniger bereisten Metropole zu Hause. Für die meisten Londoner änderte sich nichts, abgesehen davon, dass eine Woge der Depression und des Zorns ins Rollen geriet wie eine schlimme Andeutung. Das war nicht gut, und es war gewiss nicht nichts. Aber für jene, die im kleineren Teil der Stadt lebten, wuchs die Gefahr mit jedem Tag. Der Streik lähmte große Teile der okkulten Industrie. Die Wirtschaft der Götter und Monster stagnierte.
Die Zeitungen der geheimnisvollen Orte - The Chelsea Picayune, Thames' Unwater Notes, The London Evening Standard (nicht die, die andere, ältere Zeitschrift gleichen Namens) - deuteten ahnungsvoll die Zeichen der Apokalypse. Der Drogenmissbrauch erreichte Rekordausmaße. George Smack und Charlie, Narkotika, über die sich die abhängigen Magier mit den Nichtkunsterern in der regulären Hauptstadt zankten; dazu obskurere Mittel, der Kehricht von den Ley-Linien und gewissen lange verfallenen Orten, die Dröhnung der Wahl für Staubjunkies, Konsumenten, die süchtig nach Verfall und Geschichte waren und sich am Informationsgehalt berauschten. Die große Nachfrage ließ den Nachschub immer minderwertiger werden, Pülverchen wurden ungeduldig zusammengepanscht, echte schniefbare Trümmer hingegen immer seltener.
Eine Gruppe mysteriöser Unabhängiger fing eine Schiffsladung mit Waren des Tattoos ab. Niemand würde je über diese verfallenen Altertümer stolpern: Die Täter verbrannten, sprengten und verölten die Güter. Dann verschwanden sie und ließen Löcher in den Leibern der Getöteten zurück und Gerüchte über monströse Gestalten, die der Substanz der Stadt entsprungen waren.
Dane Parnell wurde aus der Kirche des Krakengottes ausgeschlossen. Diese Nachricht verbreitete sich über graffitibesprühte Wände und geheime Schwarze Bretter virtueller wie greifbarer Art, auf Pinnwänden in unscheinbaren Büros, frequentiert von neugierigen Besuchern, von denen man nicht so ganz sicher sein konnte, ob sie dort arbeiteten. Welcher Ketzerei, welchen Verrats konnte er sich schuldig gemacht haben? Die Kirche verriet nur, dass er einen Mangel an Glauben bewiesen habe.
Im ersten Tageslicht standen Dane und Billy draußen, ganz in der Nähe der City of London. Dane brodelte vor Nervosität. Seine Hände steckten in den Taschen, zusammen mit seinen Waffen.
»Wir brauchen mehr Informationen«, hatte
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