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Der letzte Engel (German Edition)

Der letzte Engel (German Edition)

Titel: Der letzte Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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guter Zar.«
    »Wo sind sie jetzt?«, fragte Pia.
    »Sie haben Edinburgh verlassen und befinden sich auf dem Weg hierher. Jean-Luc hat ihnen seinen Wagen und sein Handy überlassen. Wir können sie jederzeit erreichen, wenn wir wollen. Ist das nicht großartig?«
    Der Zar lachte.
    »Ein Engel, der Auto fährt«, sagte er. »Das möchte ich sehen. Und wieso hat der Kerl keine Flügel? Und woher weiß Jean-Luc überhaupt, dass es ein Engel ist?«
    Die Gräfinnen sahen ihn an, als hätte er sie beleidigt.
    »Was ist das für eine Frage?«, sagte Pia. »Niemand weiß so viel über Engel wie Jean-Luc. Wenn jemand einen Engel erkennt, dann ist er es. Außerdem war Jean-Luc dabei, als das Mädchen den Engel aus ihrer Erinnerung geholt hat.«
    Sie wandte sich an Natascha.
    »Wir sollten ein Zimmer für die Kleine herrichten. Sie ist doch klein, oder?«
    »Sie ist zehn Jahre alt und heißt Mona.«
    »Mona«, wiederholte Pia, als wäre der Name aus Gold und Diamanten gemacht. »Wir sollten sie anrufen«, sprach sie aufgeregt weiter. »Ich will ihre Stimme hören.«
    »Es muss noch ein wenig warten, meine Liebe, denn wir haben noch ein ganz anderes Problem«, sagte Natascha und bezog den Zaren wieder in das Gespräch ein. »Auch Lazar hat sich auf den Weg nach Berlin gemacht. Er weiß, wo der Junge lebt. Du weißt, was das heißt.«
    »Natürlich weiß ich, was das heißt«, erwiderte der Zar und hätte beinahe gelächelt.
    Als 1997 das letzte Haus der Jungen in Flammen aufging und der angeschossene Hüter mitsamt dem Jungen in die Hammerfest-Ambulanz getaumelt kam, musste sich jemand um die beiden kümmern. Die Familie wohnte zu der Zeit am Genfer See in der Nähe eines kleinen Laboratoriums, das Natalia Dupois leitete. Damals arbeitete Natalia bereits seit zehn Jahren an dem genetischen Problem, das bei allen Generationen von Jungen zum frühzeitigen Tod führte. Sie wusste nicht, dass sie bald schon einen Hüter heiraten und einen Jungen adoptieren würde, der genau dieses genetische Problem haben sollte.
    Der Zar war es, der den Hüter und den Jungen aus Norwegen in die Schweiz holte und sich damit ungewollt zu ihrer festen Kontaktperson in der Familie machte. Er tat es nicht aus Langeweile oder Edelmut, sondern weil er sich ein wenig unnütz vorkam und schon immer gut im Organisieren war. Innerhalb eines Tages hatte er den Transport aus der Hammerfest-Ambulanz abgewickelt und für Erik und den Jungen ein kleines Apartment in ihrer Nähe gemietet. Sie blieben ein Jahr in Genf. Ein Jahr fand der Zar lang genug, um sicherzugehen, dass die Bruderschaft den Hüter und den Jungen für tot erklärt hatte. Nach dem Jahr entschied sich Erik, nach Berlin zu ziehen, um dort an der Universität zu unterrichten. Die Familie folgte dem Jungen in die Hauptstadt und seitdem ist der Zar auf eine skurrile Weise zum Großvater des Jungen avanciert. Der Zar war es auch, der Natalia mit Erik zusammengebracht hat, als er es nicht mehr mit ansehen konnte, wie die zwei Wissenschaftler umeinander herumschwarwenzelten. Doch wie der Zar sie zusammengeführt hatte, so trennte er sie auch vier Jahre später wieder, als Natalia versuchte, den Jungen zu entführen.
    Natalia Hakonson wusste, was für eine Last sie sich aufgebürdet hatte, als sie den Jungen mit Erik adoptierte. Er war nicht nur der letzte Überlebende einer Generation von Fehlversuchen, er war auch die letzte Hoffnung der Familie. Knappe zwei Jahrhunderte Versagen lagen auf seinen Schultern.
    Natalia hatte den zerstörerischen Prozess der DNA studiert und vergeblich versucht, ihn aufzuhalten. An einem besonders frustrierenden Tag fasste sie einen Beschluss, der dafür sorgen sollte, dass sie in das Haus der Kormorane verbannt wurde. Sie wollte den damals neunjährigen Motte in ein Krankenhaus einweisen lassen, weil sie der Meinung war, dass andere Gen-Spezialisten das Problem besser und neutraler angehen könnten. Die Familie war dagegen. Niemand durfte von der DNA erfahren, kein Außenstehender sollte Zugang zu den Experimenten haben. Sie sagten, Natalia hätte alle Ressourcen und sollte sie nutzen.
    Das Versagen war nicht das Schlimmste, schlimm war es für Natalia auch, dass Erik nicht hinter ihr stand. Sie drängte ihn dazu, mit Motte zu sprechen, damit der Junge erfuhr, wie sein Schicksal aussah. Erik hielt nichts davon. Also hat Natalia an einem Nachmittag zwei Taschen gepackt und gewartet, dass Erik joggen ging. Sie erzählte Motte, es sei eine Überraschungsreise und Erik würde

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