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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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    »Unterbrich mich nicht, Schwiegersohn.« Calanthe kniff die Augen zusammen. »Deine Schwiegermutter kann es nicht leiden, wenn man ihr ins Wort fällt. Merk es dir. Und wisse, dass du nichts schuldig bist. Es hat sich so ergeben, dass du eher der Gegenstand des Vertrages warst, den ich mit Geralt von Riva geschlossen habe. Ich habe gesagt, wir sind quitt, und ich sehe keinen Sinn darin, mich deswegen endlos bei dir entschuldigen zu müssen. Doch mich bindet der Vertrag weiterhin. Also, Geralt. Dein Preis.«
    »Gut«, sagte der Hexer. »Ich bitte um deinen grünen Schal, Calanthe. Er soll mich immer an die Augenfarbe der schönsten Königin erinnern, die ich kenne.«
    Calanthe lächelte und nahm ihr Smaragdkollier ab. »Dieses Glitzerding«, sagte sie, »hat Steine vom passenden Farbton. Bewahre es zusammen mit einer guten Erinnerung.«
    »Darf ich etwas sagen?«, fragte Duny bescheiden.
    »Aber ja, Schwiegersohn, bitte, bitte.«
    »Ich behaupte weiterhin, dass ich in deiner Schuld stehe, Hexer. Es war mein Leben, das von Rainfarns Stilett bedroht wurde. Mich hätten die Wächter aufgespießt, wärst du nicht gewesen. Wenn von irgendeinem Preis die Rede ist, so habe 
ich
 ihn zu zahlen. Ich gelobe, dass ich dazu bereit bin. Was verlangst du, Geralt?«
    »Duny«, sagte Geralt langsam. »Ein Hexer, dem solch eine Frage gestellt wird, muss bitten, dass man sie wiederholt.«
    »Also wiederhole ich sie. Denn siehst du, ich stehe noch aus einem anderen Grund in deiner Schuld. Als ich dort im Saal erfuhr, wer du bist, habe ich dich gehasst und sehr schlecht von dir gedacht. Ich hielt dich für ein blindes, blutrünstiges Werkzeug, für jemanden, der gedanken- und gefühllos tötet, das Blut von der Klinge wischt und das Geld zählt. Doch ich habe mich überzeugt, dass der Beruf des Hexers wirklich Achtung verdient. Du schützt uns nicht nur vor dem Bösen, das im Dunkel lauert, sondern auch vor dem, das in uns selbst steckt. Schade, dass es von euch so wenig gibt.«
    Calanthe lächelte. Zum ersten Mal seit dieser Nacht neigte Geralt zu der Annahme, dies sei ein natürliches Lächeln.
    »Gut hat mein Schwiegersohn gesprochen. Ich muss dem noch zwei Worte hinzufügen. Genau zwei. Entschuldige, Geralt.«
    »Ich aber«, sagte Duny, »wiederhole es. Was verlangst du, Geralt?«
    »Duny«, sagte Geralt ernst. »Calanthe, Pavetta. Und du, rechtschaffener Ritter Tuirseach, künftiger König von Cintra. Um Hexer zu werden, muss man im Schatten der Vorsehung geboren sein, und sehr wenige werden darin geboren. Darum sind wir so wenige. Wir werden älter, kommen um, und wir haben niemanden, an den wir unser Wissen, unsere Fähigkeiten weitergeben könnten. Es mangelt uns an Nachfolgern. Die Welt aber ist voll des Bösen, das nur darauf wartet, dass wir nicht mehr da sind.«
    »Geralt«, flüsterte Calanthe.
    »Ja, du hast recht, Königin. Duny! Du sollst mir geben, was du schon hast, ohne davon zu wissen. In sechs Jahren kehre ich nach Cintra zurück, um zu sehen, ob mir die Vorsehung gnädig war.«
    »Pavetta.« Duny riss die Augen auf. »Du bist doch nicht etwa . . .«
    »Pavetta!«, rief Calanthe. »Bist ... Bist du . . .«
    Die Prinzessin schlug die Augen nieder und errötete. Dann gab sie Antwort.
     

Die Stimme der Vernunft 5
    Geralt! He! Bist du da?«
    Er blickte von den vergilbten brüchigen Seiten der 
Weltgeschichte
 von Roderick de Novembre auf, einem interessanten, wenngleich strittigen Werk, das er seit zwei Tagen studierte.
    »Ich bin da. Was ist los, Nenneke? Brauchst du mich?«
    »Du hast Besuch.«
    »Wieder? Wer ist es diesmal? Herzog Hereward höchstpersönlich?«
    »Nein. Diesmal ist es Rittersporn, dein Kumpel, dieser Hans-Dampf-in-allen-Gassen, dieser Schmarotzer und Tagedieb, der Priester der Kunst, der strahlende Stern der Ballade und der Liebeslyrik. Wie üblich vom Ruhme umstrahlt, aufgeblasen wie eine Schweinsblase und nach Bier stinkend. Willst du ihn sehen?«
    »Natürlich. Er ist doch mein Freund.«
    Nenneke zuckte entrüstet mit den Achseln. »Ich begreife diese Freundschaft nicht. Er ist das genaue Gegenteil von dir.«
    »Gegensätze ziehen sich an.«
    »Ganz offensichtlich. Oh, bitte, da kommt er.« Sie nickte mit dem Kopf in die Richtung. »Dein berühmter Dichter.«
    »Er ist wirklich ein berühmter Dichter, Nenneke. Du wirst doch nicht behaupten, dass du seine Balladen nicht gehört hast.«
    »Hab ich.« Die Priesterin verzog das Gesicht. »Eben. Nun ja, ich kenne mich da nicht aus,

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