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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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es war sehr unwahrscheinlich, daß er einen anderen bekam, nachdem er öffentlich als unfähig gebrandmarkt worden war. Er eilte auf das Podium zu und wollte Thorion um Gnade anflehen. Thorion gab den Gerichtsdienern ein Zeichen, und diese zerrten den immer noch Schreienden hinaus. Der Anwalt folgte ihm und sah sich noch einmal nach Thorion um. Das Publikum erhob sich und erörterte lauthals das Urteil. Thorion lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Daumen unter dem Gürtel verschränkt, und pfiff geräuschlos. Er hielt meinen Blick fest und grinste.
    Als das Publikum den Saal verlassen hatte, erhoben sich Sebastianus und Athanaric und traten auf Thorion zu; ich erhob mich ebenfalls. »Geschätzter Theodoros«, sagte Sebastianus und bot Thorion seine Hand dar. »Du verschwendest deine Zeit jedenfalls nicht.«
    Thorion schüttelte Sebastianus’ Hand und lächelte. »Als ich noch Beisitzer war, habe ich mir genug hochtrabende Reden angehört. Ich sehe nicht ein, warum ich jetzt, da ich Statthalter bin, noch mehr davon anhören sollte. Und ich glaube, ich hätte diesen Burschen auch als Lügner und Betrüger durchschaut, wenn ich nicht im vornherein über diesen Fall Bescheid gewußt hätte. Aber Charition hat dir ja wahrscheinlich erzählt, daß er ein alter Freund von mir ist. Entschuldigt mich einen Moment, edle Herren.« Er eilte zu mir, stand da und starrte mich einen Augenblick lang an, dann schüttelte er verwundert den Kopf. »Bei Artemis der Großen! Herrgott, Charition, ich habe dich wirklich nicht erkannt. Bist du es wirklich?«
    »Natürlich bin ich es«, entgegnete ich und umarmte ihn. Er schloß mich seinerseits ungestüm in die Arme, dann ließ er mich los und trat einen Schritt zurück, wobei er mich erneut anstarrte. »Und auch noch Hosen!« rief er aus. »Gütiger Gott, du siehst aus wie ein Barbar!«
    »Es ist kalt hier im Winter.«
    »Es muß schon verdammt kalt sein, bevor ich in solch einem Aufzug rumlaufe! Entschuldigt mich, ihr ehrenwerten Männer.« Er grinste Sebastianus und Athanaric an, die alle beide Hosen trugen. »Es ist ein bißchen schwer, sich daran zu gewöhnen. Ich glaube, die Verhandlung ist gut über die Bühne gegangen, wenn ich das so sagen darf. Ich wollte nicht, daß es allzu offensichtlich wird, daß ich Charition kenne. Mein Gott, jetzt werden alle glauben, daß ich ein Ausbund an Bildung bin! Es waren doch Herophiles und Galen, die Menschen seziert haben, nicht wahr, Charition? Hast du das tatsächlich auch getan, oder hat dieser Bursche die Sache nur aufgebauscht? Falls es stimmt, war es sehr töricht von dir. Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so überrascht wie vor ein paar Tagen, als ich erfuhr, daß du aufgrund einer Anklage wegen Zauberei herbeordert worden bist. Ich war gerade dabei, dir einen Brief zu schreiben, um dich hierher einzuladen, als der Beisitzer sagte: ›Aber Herr, dieser Chariton soll nächste Woche sowieso hier sein!‹ Na egal, wir haben dieses Schlamassel jetzt aus dem Weg geräumt. Du mußt unbedingt mit mir zusammen zu Mittag essen, dann können wir uns ein bißchen unterhalten – falls die ehrenwerten Herren uns entschuldigen wollen.« Er wandte sich zu Athanaric und Sebastianus und lächelte erneut.
    »Ich habe meinen Freund seit Jahren nicht mehr gesehen; wir sind zusammen aufgewachsen.«
    »Das hat er uns erzählt«, sagte Sebastianus. Er schien mir etwas aus der Fassung zu sein.
    »Dann entschuldigt ihr uns also. Ich wäre entzückt, wenn die erlauchten Herren mich mit ihrer geschätzten Gesellschaft zum Abendessen beehren würden. Ich muß eine Menge lernen, wenn ich meine Aufgabe hier gut erfüllen will.«
    Sebastianus und Athanaric erklärten sich einverstanden. Thorion verbeugte sich und dankte ihnen, dann zog er mich rasch hinter sich her in das Gebäude hinter der Präfektur, wo er seine Wohnung hatte. »Wir werden mit Maia zusammen Mittag essen. Sie erwartet uns«, erklärte er und ging voran, die steilen Treppen hinauf und bis ans Ende des langen Flures. Dort blieb er so abrupt stehen, daß ich in ihn hineinrannte. Dann klopfte er an eine Tür, sie wurde sofort geöffnet.
    Thorion hatte sich überhaupt nicht verändert; meine Maia hatte sich sehr verändert. Die Haare, die ich als rot in Erinnerung hatte, waren inzwischen grau. Und sie schien magerer zu sein, ausgetrocknet wie Leder. Ihre Blicke huschten begierig an Thorion vorbei, um den meinen zu begegnen. Ihre Augen weiteten sich. Sie trat einen Schritt von der offenen

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