Der Leuchtturm von Alexandria
entweder die beste Hebamme oder den besten Arzt der Provinz verschaffen würde. Es sieht so aus, als seist du der beste Arzt. Und ich habe schon daran gedacht, das Baby Chariton zu nennen.«
7
Eine Woche später kehrte ich nach Novidunum zurück. Ich war schrecklich erschöpft. Solange ich mit Thorion und Maia allein war, hatte ich mich nach der ersten Strafpredigt wundervoll gefühlt. Thorion schien von meiner Geschicklichkeit auf medizinischem Gebiet und von meinen einflußreichen Verbindungen tatsächlich sehr beeindruckt zu sein. (»Seine Durchlaucht, der oberste Palastbeamte, hält jede Menge von diesem Burschen Athanaric«, meinte er mir gegenüber. »Er glaubt, wenn es sich um die Goten handelt, sei Athanarics Ratschlag ebensogut wie ein Erlaß. Ich bin froh, ihn zum Freund zu haben.«) Doch sobald Thorion und ich mit anderen zusammen waren, hatte ich mich keinen Moment mehr sicher gefühlt. Zwar entschlüpfte ihm nie mein richtiger Name – er hatte mich sowieso immer nur Charition genannt –, aber gelegentlich benutzte er im Zusammenhang mit mir das Wörtchen »sie«. Natürlich machen dies auch andere Leute, wenn es um Eunuchen geht, doch nur, wenn sie gemein sein wollen. Er tat es nicht so häufig, daß sich die Leute sicher sein konnten, es wirklich gehört zu haben, aber es genügte, mich nervös zu machen. Athanaric bemerkte den Ausrutscher und fragte mich, als wir allein waren, ob Thorion »der Mann« sei, den ich erwähnt hatte. Einen Augenblick lang wußte ich nicht, was er meinte, doch dann erinnerte ich mich an mein Geständnis über die Qualen der Begierde. »Himmel Herrgott, nein«, erklärte ich.
»Er ist nur ein alter Freund.«
Athanaric sah mich nachdenklich an und versuchte, einen unbekümmerten Eindruck zu machen. Doch ich wußte, daß er darin geübt war, sich derlei Dinge zu merken, und ich fragte mich, ob er die Wahrheit wohl inzwischen vermutete. Ich fragte mich auch, wie ich reagieren würde, falls er mein Geheimnis entdeckte. Aber er sagte nichts mehr. Und zwei Tage nach der Gerichtsverhandlung galoppierte er sowieso davon, um einige Außenposten zu inspizieren. Sebastianus blieb noch in Tomis: Er würde sich etwa einen Monat lang dort aufhalten und sich um die Verpflegung seiner Soldaten kümmern. Ich mußte jedoch sobald wie möglich ins Hospital zurück, da der Hochsommer eine gefährliche Zeit für ansteckende Krankheiten ist. Aber bevor ich abreiste, sprach ich mit Sebastianus über Xanthos.
»Jetzt, da er seinen Prozeß verloren hat«, sagte ich, »brauchst du ihn nicht rauszuwerfen. Es macht mir nichts aus, wenn er unter mir arbeitet, vorausgesetzt, er mischt sich nicht in die Behandlung meiner Patienten ein.«
Sebastianus sah mich überrascht an, dann verzog er sein Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Warum diese christliche Nachsicht? Der Mann ist dein Feind. Er wollte unbedingt, daß du gefoltert und getötet wirst. Im übrigen habe ich ihn bereits hinausgeworfen.«
Ich zuckte die Achseln. Ich mußte dauernd daran denken, wie man Xanthos schreiend aus dem Gerichtssaal gezerrt hatte. Ich fragte mich, ob er überhaupt genug Geld hatte, um die Buße zu bezahlen. »Zum Teil war es auch mein Fehler«, sagte ich zu Sebastianus. »Ich habe mich falsch ihm gegenüber verhalten. Erst habe ich ihn von seinem Posten verdrängt, und dann war ich hochmütig, habe ihn gedemütigt und seine Behandlungsmethoden schlecht gemacht. Es ist nicht sein Fehler, daß er ein so schlechter Arzt ist; er ist nicht verantwortlich für seine Ausbildung. Und er hat tatsächlich geglaubt, ich sei ein Zauberer und hätte seinen Freund getötet. Ich möchte nicht, daß er gefoltert wird, weil er seine Schulden bei Gericht nicht bezahlen kann.«
Sebastianus lachte. »›O integer vitae scelerisque pure!‹ Nun gut, wenn du darum bittest, dann sollst du ihn wiederhaben. Ich werde ihm einen Brief schreiben. Er ist inzwischen wieder in Novidunum und sammelt seine sieben Sachen zusammen. Aber ich werde ihm sagen, daß du es warst, der sich für ihn verwendet hat. Deshalb will er vielleicht nicht bleiben. Ich habe solchen Haß schon öfter erlebt. Haß ist ein tödliches Gift, und wenn es sein Objekt nicht töten kann, dann tötet es denjenigen, den es befallen hat. Aber davon weißt du wahrscheinlich nichts, oder?« Er warf mir einen Blick aufrichtiger Zuneigung zu und schrieb den Brief. Ich nahm ihn an mich, bestieg mein Pferd und ritt nach Hause.
Ich galoppierte nicht die ganze Zeit über – das
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