Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
Vom Netzwerk:
zu verbergen: Zumindest war es äußerst lästig, unter diesen Umständen zu reisen.
    Nachdem wir drei Tage unter derart widrigen Bedingungen geritten waren, erreichten wir den Kamm eines Berges und sahen Salices unter uns liegen: Seine Wälle hoben sich dunkel gegen den Schnee und den zugefrorenen Fluß ab. Meine Begleitmannschaft stieß einen übermütigen Hurraruf aus, und wir machten uns auf den Weg hügelabwärts. Der Tribun, der die Soldaten befehligte, richtete sich in seinem Sattel auf und winkte mit beiden Armen zur Festung hinüber – dann krümmte er sich zur Seite und fiel vom Pferd. Ich fragte mich, was das bedeuten sollte, doch dann war ich plötzlich nahe genug bei ihm und sah ihn genauer. Seine eine Schädelhälfte war eingeschlagen: Sie war offensichtlich durch eine aus einer Schleuder abgeschossene Bleikugel wie eine Nuß geknackt worden.
    Die anderen entdeckten es im gleichen Moment; die Beifallrufe blieben ihnen im Halse stecken, und sie begannen, ihre Pferde in gestrecktem Galopp den Hügel hinunterzujagen. Dabei rissen sie ihre Schilder vom Rücken und hielten sie sich über die Köpfe. Ein weiterer Mann sank zu Boden. Ich hatte keinen Schild. Und so beugte ich meinen Kopf tief über den Hals meines Pferdes und trieb es mit kräftigen Fußtritten an. Es war müde, doch es hatte den Geruch von Blut und von Angst geschnuppert und galoppierte hinter den anderen her. Ich hörte, wie etwas über meinen Kopf hinwegpfiff, und betete verzweifelt zu Gott und zu Jesus Christus, sie möchten mich beschützen. Zu meiner Rechten stolperte ein Pferd und brach zusammen; sein Reiter schrie vor Schmerz; dann sprang er auf und schwang sein Schwert. Ich konnte nicht anhalten, um ihm zu helfen, selbst wenn ich gewollt hätte. Ich schloß die Augen. Mein Pferd stolperte und bäumte sich auf; ich öffnete die Augen wieder und versuchte, es im Gleichgewicht zu halten. Vor mir hatte die Begleitmannschaft in einem Halbkreis Aufstellung genommen und sich den vom Rücken her Angreifenden zugewandt. Ich zügelte mein Pferd und fragte mich, was sie vorhatten. Diese Wahnsinnigen wollten doch nicht etwa kämpfen? Doch die Männer hatten sich in einer Schlachtreihe aufgestellt, ihre Schwerter gezogen und die Schilder über ihre Köpfe erhoben. Ein Trupp Goten kam den Hügel heruntergerannt, ihre Pelzmäntel flatterten im Wind, das Licht der untergehenden Sonne funkelte auf ihren Speeren. Der Mann, der sein Pferd verloren hatte, stieß einen Schlachtruf aus – diesen Schrei, der leise beginnt und in einem heiseren Brüllen endet –, und die Goten stürzten sich auf ihn. Weitere Barbaren tauchten zwischen den Bäumen auf. Der römische Soldat fiel, und sein Feind durchbohrte seinen Körper wieder und wieder, wobei er ein wildes Gebrüll und durchdringende Wutschreie ausstieß. Dann stürzte er sich auf uns. Hinter mir hörte ich den Klang von Trompeten.
    »Warum können wir uns denn nicht zur Festung durchschlagen?« fragte ich den Soldaten vor mir.
    Der Soldat schnaubte verächtlich. »Der Feind würde uns töten, wenn wir zu fliehen versuchen. Wir können uns den Rücken nicht freihalten. So aber haben wir eine Chance. Hurra!«
    Ich fühlte mich schrecklich schutzlos. Die anderen Soldaten befanden sich zwar vor mir, aber sie hatten Helme und Schilder und Harnische; ich jedoch hatte nichts als meinen Pelzumhang und meine Arzttasche. Ich beugte mich tief auf das Pferd hinunter, preßte die Tasche an mich und dachte über Knochenbrüche, Behandlungen von Kopfverletzungen, Wundkompressen, Amputationen und die richtige Dosierung von Alraunwurzeln nach. Vielleicht, dachte ich, sollte ich jetzt etwas davon nehmen, dann hätte ich nicht solche Schmerzen zu befürchten, wenn ich getroffen würde. Die Barbaren kamen schreiend näher. Die Soldaten meiner Begleitmannschaft empfingen sie mit einem Speerhagel, und einer der Feinde fiel. Hinter uns – inzwischen etwas näher – erklang von neuem die Trompete. Die Soldaten stießen wieder ihren Kriegsruf aus und stürmten gegen den Feind vor. Ich rührte mich nicht, saß einfach nur da und klammerte mich an meine Arzttasche. Einige Goten fielen; die übrigen wichen zurück, hügelaufwärts. Die römischen Soldaten verfolgten sie jedoch nicht, sondern machten kehrt und sammelten sich. Ein Geschoßhagel folgte ihnen; ein weiterer Mann fiel, versuchte sich aufzurichten, sank zurück. Unsere Soldaten wollten sich gerade wieder auf den Feind stürzen, da hörten wir das Donnern von Hufen

Weitere Kostenlose Bücher