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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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wenig grüne Gallenflüssigkeit; dann hustete er noch stärker. Sein Fieber stieg, und sein Puls wurde unregelmäßig, doch ich hatte den Eindruck, als fiele ihm das Atmen etwas leichter, und so fuhr ich mit dem Dampf fort, hörte aber mit dem Schröpfen auf. Die Pfleger wollten mich dazu überreden, ihn zur Ader zu lassen oder ihm Abführmittel zu geben, aber es führt zu gar nichts, alte oder erschöpfte Leute zur Ader zu lassen. Das Zur-Ader-Lassen ist gut für Leute mittleren Alters, vor allem für Choleriker, und Blutegel an den Schläfen mögen gut sein gegen Kopfschmerzen. Andererseits glaube ich, daß man Leute hauptsächlich deshalb zur Ader läßt, um bei Laien den Eindruck zu erwecken, daß der Arzt aktiv ist. Und Abführmittel helfen keinem Menschen, leichter zu atmen.
    Nachdem er ziemlich stark gehustet hatte, schlief Athanasios erschöpft ein. Seine Gliedmaßen blieben warm: ein gutes Zeichen. Er war ein kräftiger Mann, aber er war in äußerst schlechter Verfassung: alt und aufgrund jahrelanger Askese ausgemergelt. Sobald seine Gefolgsleute sahen, daß er schlief, bekamen sie es mit der Angst zu tun, er könne sterben, ohne einen Nachfolger zu benennen. Diejenigen, die ich hinausgeworfen hatte, kamen wieder herein und wollten ihn aufwecken und veranlassen, dies auf der Stelle zu tun. Aber ich sagte ihnen, er werde sich sehr wahrscheinlich erholen, vor allem, wenn sie ihn endlich alleine ließen, und ich warf sie erneut hinaus. Diesmal wies ich alle hinaus, so daß keiner beleidigt sein konnte. Dann ließ ich mich nieder, um den kranken Mann zu beobachten. Sobald ich mit meinem Patienten alleine war, begannen meine Hände zu zittern, und ich mußte mich hinsetzen und mühsam um meine Selbstbeherrschung ringen. Es war ein leichtes gewesen, Selbstvertrauen auszustrahlen, solange ich wirklich etwas tat. Ein Arzt gewöhnt sich allmählich daran, so zu tun, als wisse er mehr, als er in Wirklichkeit weiß; er muß dies ganz einfach tun, um seine Patienten zuversichtlich zu stimmen. Und man ist zumindest immer ein wenig von dem überzeugt, was man tut. Aber jetzt, auf mich allein gestellt, hatte ich Angst. Ich war noch nicht einmal zwanzig, noch nicht fertig ausgebildet, und hier saß ich nun, war verantwortlich für die Behandlung des mächtigsten Mannes der Stadt, nur weil er mein Geheimnis kannte und deshalb glaubte, er könne mir vertrauen. Was passiert, wenn er stirbt? fragte ich mich und preßte meine Hände zusammen, um sie am Zittern zu hindern.
    Nun gut, dachte ich, Menschen sterben nun einmal. »Das Leben des vom Weibe geborenen Menschen währt nur kurze Zeit und ist voller Mühsal; er blüht wie eine Blume und wird niedergemäht. Seine Tage sind gezählt, und die Anzahl seiner Monate liegt bei Gott«, wie Timon gesagt hatte. Aber Athanasios’ Lungenentzündung war nicht so schlimm wie diejenige Timons, dachte ich, und er hat keine Brustfellentzündung. Er hat eine Chance. Er ist jetzt sowieso mein Patient, und ich muß ganz einfach mein Bestes für ihn geben, so wie ich es für jeden anderen auch tun würde. Selbst die Mönche können mich kaum bestrafen deswegen.
    Ich stand auf und prüfte das kochende Wasser über den Kohlenpfannen.
    Der Erzbischof schlief den größten Teil der Nacht, tief und ohne sich allzu unruhig hin und her zu wälzen. Anfangs ging sein Atem entsetzlich rasselnd, dann beruhigte er sich ein wenig. Schließlich wachte er auf und flüsterte etwas wie, er sei durstig; sein Fieber war stark gestiegen. Ich gab ihm ein wenig Honigwasser mit einer geringen Dosis gefleckten Schierlings darin – eine sehr geringe Dosis, da ich den Husten, der die Lungen säuberte, nicht unterdrücken wollte. Er reagierte sehr gut darauf: Das Fieber ging herunter, und sein Puls beruhigte sich. Gelegentlich hustete er noch, aber es war ein guter, ergiebiger Husten. Aufgestützt auf mehrere Kissen schlief er wieder ein, und sein Atem ging jetzt eher pfeifend als rasselnd. War die Krise bereits vorbei? Es war zu früh, um es endgültig sagen zu können. Aber im Augenblick konnte ich nichts mehr tun. Ich zog mir eine Ruhebank heran, so daß ich sofort hören konnte, wenn sich der Rhythmus seines Atems veränderte, und legte mich hin, um ein wenig zu schlafen.
    Am Morgen wachte ich auf und merkte, wie Athanasios mich beobachtete. Das Licht drang durch die Ritzen der Fensterläden, und die Kohlenpfannen waren ausgegangen.
    Ich setzte mich auf. Der Arm, auf den ich meinen Kopf gebettet hatte, war

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