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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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und Kanonendonner. Und ich kämpfe und weiß doch, daß es nur ein Traum ist und kann doch nichts dagegen tun und die Dinge nicht aufhalten.
    Ich muß aufwachen, denke ich mir und reiße gewaltsam die Augen auf, setze mich in mein Bett und habe Angst, wieder einzuschlafen und lausche in die Nacht, während das Haus immer noch still daliegt und in der Ferne wieder Schüsse zu hören sind.

9. KAPITEL
    Kärnten, Februar 1945

Rudis Heimkehr
    8. Februar 1945, 6 Uhr morgens. Rudi Bockelmann erreicht gerade noch den Zug von Klagenfurt nach Willersdorf. Von dort sind es dann noch vier Kilometer bergauf, zu Fuß. Bei gutem Wetter und guter Kondition ein Marsch von etwa einer Stunde, heute, mit dem Gepäck, der Übermüdung in den Knochen und dem vereisten Boden wahrscheinlich das doppelte. Aber wenn er diese letzte Strecke bewältigt hat, wird er endlich wieder zu Hause sein - auf Schloß Ottmanach, auch wenn es sehr leer sein wird ohne seine Frau und seine drei Söhne. An den Abschied darf er gar nicht denken: An den Ernst, mit dem Joe, der Älteste ihn ansah, der die Tragweite der Stunde sicher am allerbesten begriff, die Tränen in Jürgens Augen, und an den strahlenden kleinen Manfred, der mit seinen eineinhalb Jahren noch gar keine Ahnung hatte, was vor sich ging. Wenn Rudi es nicht schaffte, diese letzten Kriegswochen zu überleben, würde Manfred später nicht einmal mehr Erinnerungen an seinen Vater haben. Der Kleine hatte ihm strahlend nachgewinkt. Und dann der Abschied von Käthe, die Größe, die sie aufbrachte, als sie ihn umarmte und dann noch mal und noch mal und dann einfach wegging, um es ihm nicht noch schwerer zu machen. Wann würde er sie jemals wiedersehen?
    Jedenfalls würde er bald endlich zu Hause sein nach einer tagelangen Odyssee durch ein vollkommen zerstörtes Land. Allein von Lüneburg bis Fulda zu kommen, hatte zwei ganze Tage und Nächte gedauert. Immer wieder hatten die Züge angehalten, und
alle Passagiere mußten ins Freie, sich auf den Boden werfen. Einmal waren Flugzeuge im Tiefflug herangerast, hatten aber nicht geschossen. Ein SS-Mann hatte mit seiner Maschinenpistole hinterhergefeuert. Die mitgeführte Flak war nicht einmal ausgepackt worden. Als Rudi Bockelmann die Soldaten danach fragte, hieß es nur mit einem Schulterzucken, man habe sowieso keine Munition mehr.
    Irgendwann hatte man sich so sehr an diese Unterbrechungen der Fahrt, das Warten im freien Feld bis Entwarnung gegeben war, gewöhnt, daß man die Gelegenheit nutzte, sich an einem Bach in der Nähe notdürftig zu waschen oder zu rasieren, in den Zügen gab es dafür schon lange keine Möglichkeit mehr.
    Rudi Bockelmann hatte auch immer wieder Truppentransporte gesehen und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß da der letzte traurige Rest von Deutschlands Männern ins Feld geschickt wurde: Lastwagen, auf deren Ladefläche alte, ausgemergelte Männer saßen. Einer hatte ihm mal zugerufen: »Wir alten Affen sind die neuen Waffen« und dabei bitter gelacht. - Noch schlimmer aber war der Anblick der Truppen, unter denen sich Kinder befanden: Jungen mit Kindergesichtern und Stahlhelmen, die viel zu groß auf ihren Köpfen wackelten; manche davon waren sicher nicht älter als sein ältester Sohn Joe. Dieser Anblick hatte ihn wütend gemacht, aber er konnte doch nichts tun, nur hoffen, daß dieser Irrsinn so bald wie irgend möglich ein Ende finden würde.
    Irgendwann nach Tagen war er in München angekommen. Die Stadt war vollständig zerstört. Am Bahnhof wieder wie überall das Transparent »Räder müssen rollen für den SIEG«.
    Rudi widerte das alles an. Jahrelang war man offenbar nur belogen und betrogen worden. Er selbst war diesen Lügen lange Zeit hindurch aufgesessen, aber langsam mußte doch damit Schluß sein!
    Er selbst war Parteimitglied. Die Leute im Dorf hatten ihn kurz nach dem Anschluß Österreichs ans Reich darum gebeten, Bürgermeister der Gemeinde Ottmanach zu werden. Er war als Besitzer des Schlosses und größter Landwirt der Gemeinde dem Dorf gegenüber irgendwie verpflichtet gewesen, hatte eine herausragende Stellung. Alle im Dorf nannten ihn »Chef«. Man kam mit allen Sorgen und Nöten zu ihm, ob man Geldprobleme hatte oder Ehestreit. Sogar wenn eine Kuh Schwierigkeiten beim Kalben hatte
und der Tierarzt nicht erreichbar war oder wenn man sich bei der Arbeit verletzt hatte. Man kam zum Schloß, bat um Hilfe.
    Als der Anschluß Österreichs beschlossen war, war man in Ottmanach in Sorge gewesen,

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