Der Mann mit dem Fagott
schiebt sie mit dem Schürhaken unter die Flammen, als es an der Tür klopft und Maria Maric mit bleichem Gesicht eintritt.
»Da ist jemand für dich«, sagt sie nur leise, und hinter ihr steht auch schon Joseph, ein Gendarm vom Gendarmerieposten in Pischeldorf. Sie kennen sich gut. Rudi war immer wieder gemeinsam mit ihm zur Bewachung des Elektrizitätswerkes in Lassendorf eingeteilt gewesen. Eine Bürgerpflicht.
Beinahe herzlich bittet er den Mann herein, und er erstarrt, als ihm bewußt wird, daß nun ausgerechnet dieser befreundete Gendarm nicht als Besucher gekommen war, sondern daß er den Auftrag hatte, ihn abzuholen.
»Vernichtest du Beweise?« fragt Joseph ihn lächelnd, bezugnehmend auf sein Gestocher mit dem Schürhaken im Kamin.
»Natürlich«, gibt Rudi so launig zurück, wie er es in dieser Stunde eben sein kann.
Joseph setzt eine ernste Miene auf. »Es tut mir leid, aber du weißt ja inzwischen selbst, was los ist. Ich soll dich vorführen.«
»Vorführen, so nennt man das also«, antwortet Rudi mit leisem Zynismus in der Stimme.
»Ja, das ist das Wort dafür. Niemand hat etwas von Einliefern gesagt.«
»Heißt das, ich kann nach einem Gespräch wieder gehen?« will Rudi wissen.
»Sie haben nichts von Einliefern gesagt, also stehen die Chancen wahrscheinlich nicht schlecht.«
Rudi nickt, und wie um sich an diese Hoffnung zu klammern, beschließt er, nichts mitzunehmen, sich nicht auf einen längeren Aufenthalt einzurichten.
Rudi zieht sich warm an. Angesichts der Kälte, des Schnees und
der Straßenverhältnisse hat man beschlossen, mit dem Pferdeschlitten die siebzehn Kilometer nach Klagenfurt zu fahren. Hansl Voith wird den Schlitten lenken und wieder zurückbringen.
Er macht den Abschied von seinen Leuten so kurz wie möglich, will keine große Wehmut aufkommen lassen.
Draußen ist es inzwischen dunkel geworden. Joseph, Hansl Voith und Rudi besteigen den Schlitten, vor den zwei Pferde gespannt sind, und sie machen sich auf den dunklen Weg, Rudis ungewissem Schicksal entgegen.
Das Verhör
Die Schlittenfahrt durch die vom vielen Schnee fast unpassierbaren Straßen, die zerstörte Stadt, die Menschen, denen sie begegnen, manche davon Bekannte von Rudi, und immer wieder die Frage, die er sich bei jeder dieser Begegnungen stellt: Wissen sie, wohin ich gerade gehe? Dann das Gestapo-Gebäude in der Burg mitten in der Stadt, der Beamte am Empfang, der ausschließlich mit Joseph spricht, Rudi nur eines abschätzenden Blickes würdigt, die beiden dann in den zweiten Stock, Zimmer Nummer 28, zu Kommissar Brettschneider schickt. Die grellgeschminkte Stenotypistin im Vorzimmer und dann der Kommissar, schlank, dunkelhaarig, etwa so groß wie Rudi selbst, mit glatt nach hinten gekämmten Haaren und fast schwarzen, stechenden, kalten Augen, italienischer Typ. Gutaussehend, aber mit einem listig-lauernden Gesichtsausdruck. Rudi nimmt das alles wie eine schrille Folge von zusammenhanglosen Ereignissen wahr. Es hat etwas Unwirkliches.
»Ja, wen haben wir denn da? Der Herr Bürgermeister !« Süffisant dreht sich Kommissar Brettschneider zu Rudi um. »Daß wir Sie hier noch mal zu Gesicht bekommen. Wer hätt’s gedacht. Setzen Sie sich mal dahin.« Er weist Rudi einen Holzstuhl zu, dann wendet er sich an den Gendarmen. »Was stehen Sie denn noch hier herum? Haben Sie nichts zu tun?«
»Ich dachte …«, stammelt Joseph.
»Das Denken können Sie mal getrost uns überlassen! Abtreten!«
»Jawohl!« erwidert Joseph und fügt dann doch noch hinzu: »Wird es denn nicht gewünscht, daß ich auf Herrn Bürgermeister Bockelmann warte und ihn wieder nach Hause bringe?«
Der Kommissar grinst selbstzufrieden. »Das wird nicht nötig sein. Der Herr Bürgermeister bleibt sicher noch eine ganze Weile bei uns.« Er deutet er auf die Tür. »Heil Hitler!«
»Heil Hitler!« Der Gendarm hat verstanden und geht.
Kommissar Brettschneider setzt sich Rudi gegenüber hinter eine Schreibmaschine. »Und nun zu Ihnen. Da haben Sie sich ja etwas Schönes geleistet. Abzuhauen, alles hier im Stich zu lassen. 1500 kg Gepäck mitzunehmen. Das war Diebstahl am eigenen Volk. Und gerade Sie als Bürgermeister müßten das wissen und mit gutem Beispiel vorangehen.«
Rudi weiß nicht, was er sagen soll. Daß er 1500 kg Gepäck mitgenommen haben soll, ist einfach lächerlich. Immerhin waren sie mit dem Zug unterwegs, hatten nur mitgenommen, was sie hatten tragen können. Doch soll er das jetzt erklären? Oder ist es besser, zu
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