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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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ausgenommen?« Brettschneider hat die letzten Sätze beinahe geschrien.
    »Natürlich nicht, und ich bedauere es sehr, daß ich diesen Fragen keine größere Aufmerksamkeit gewidmet habe.« Rudi sieht keinen anderen Weg, mit diesem Herrn zu sprechen. Jede Erklärung bringt ihn offenbar nur noch tiefer in die Probleme. »Selbstverständlich bin ich jederzeit gern bereit, alles, was in meinem Hause beanstandet wird, zu vernichten.«
    Brettschneider lacht zynisch. »Ja, das glaube ich gern, daß Sie jetzt Beweismittel vernichten möchten. Keine Sorge, diese Aufgabe haben wir Ihnen bereits abgenommen. Die Bücher und das Bild sind natürlich beschlagnahmt.«
    Rudi schweigt. Irgendwo schlägt eine Turmuhr. Es ist nach neun Uhr abends. Auch der Kommissar blickt auf seine Taschenuhr. »Ich lasse Sie dann morgen wieder holen.«
    Er knipst die Lampe aus.
    »Wäre es denn vielleicht möglich, daß ich gegen mein Ehrenwort, Ottmanach nicht zu verlassen und mich jederzeit bereitzuhalten, zurück nach Hause gehe? - Schließlich ist der Betrieb auch für das Reich wichtig.«
    Brettschneider grinst schadenfroh. »›Ihr Ehrenwort‹ «, äfft er
Rudi nach. »Ihr Ehrenwort zählt nicht mehr. Sie bleiben hier. Ihr Betrieb kam während Ihrer Vergnügungsreise ja auch gut ohne Sie zurecht. Wir werden einen Verwalter bestellen. Es würde sich sowieso gut machen, wenn Sie angesichts der Vorwürfe, die gegen Sie erhoben werden und angesichts der Tatsache, daß Sie ohnehin keine Zukunft mehr haben, Ihren Besitz dem Deutschen Reich überschrieben. Vielleicht würde man Ihnen das als Geste anrechnen.«
    Rudi erschrickt. Er spürt, wie jede Farbe aus seinem Gesicht weicht. Sein Herz rast. Er ballt unwillkürlich seine Hand zur Faust, preßt sie so fest zusammen, daß seine Fingerkuppen weiß werden, atmet ein paarmal tief durch, ehe er so besonnen wie möglich sagt: »Ich hoffe doch sehr, daß ich die Vorwürfe gegen mich werde entkräften können. Im übrigen gehört das Schloß und das zugehörige Gut nicht mir allein, sondern mir gemeinsam mit meinen vier Brüdern, die alle mit einer Übereignung einverstanden sein müßten. Ich werde meinen Brüdern bei nächster Gelegenheit Ihre Forderung natürlich unterbreiten, nur läßt die Lage im Augenblick keine Kontaktaufnahme zu: Mein jüngster Bruder ist seit August verschollen und der mittlere ist wohl irgendwo im Danziger Kessel.«
    Brettschneider notiert irgendwas. »Dann erfüllt er ja wenigstens als Soldat seine Pflicht, was man von Ihnen ja nicht gerade behaupten kann.«
    Rudi schweigt. Auch der Kommissar sagt lange Zeit hindurch nichts mehr, schreibt irgendetwas auf. Dann steht er auf, zieht seinen Mantel an. Rudi nimmt es als Zeichen, das gleiche zu tun.
    Schweigend verlassen sie das Gestapo-Hauptquartier und gehen in Begleitung von zwei Polizisten die paar Schritte zum Gefängnis. Rudi hat das Gefühl, von jedem Menschen, dem sie begegnen, angestarrt zu werden. Als ob sie alle wüßten, wohin er geht. Die Luft ist klar und kalt.

Zelle 62
    Im Gefängnis ein Aufnahmeraum. Drei Beamte in Uniform spielen Karten. Einer dreht sich halb um, als sie kommen, sieht sie fragend an. Brettschneider erklärt ihm kurz irgendetwas.
    »Aha, für die Gestapo«, meint der Beamte gelangweilt.
    Brettschneider nickt, übergibt ihm Papiere. Ein kurzes »Heil Hitler!« Dann verläßt er das Gebäude, ohne Rudi auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen.
    »Na, dann wollen wir mal …«, ringt sich der Wärter dazu durch, sich zu erheben und sich mit Rudi zu beschäftigen. »Komm mal mit.«
    Rudi wird wie selbstverständlich geduzt. Er wird durch lange Gänge in einen Raum mit Gittertür geführt, in dem sich außer einem Schreibtisch und einem Holzstuhl nichts befindet. Unverputzte Wände, fahles Licht.
    Der Beamte schließt die Tür hinter ihm zu, verschwindet.
    Ratlos steht Rudi im Raum. Keine Möglichkeit für ihn, sich zu setzen. Der Stuhl am Schreibtisch ist sicher dem Beamten vorbehalten. Wie lange soll er wohl hier warten? Und was erwartet ihn danach? Aus der Tiefe des Gebäudes hört er das dumpfe Echo von Stimmen, in die sich - nein, er irrt sich nicht - die Schmerzensschreie eines Mannes mischen. Fast rhythmisch. Dazu Schläge, die durch das Gebäude widerhallen, und das Gebrüll eines Wärters oder wohl eher eines Gestapo-Beamten.
    Rudi ergreift eine tiefe Angst vor dem Unbekannten, die er so in seinem Leben noch nicht gekannt hat. In einem der Nebenräume die Erkennungsmelodie der

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