Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
Hauptgetreides vom älteren Ritualkalender angeregt worden sein?
Die Länge der Tzolk’in -Monate von 20 Tagen und die der anderen wichtigen Einheiten (13, 7, 9) wird gelegentlich ebenfalls mit den Mondphasen erklärt, weil auch das Wort winal oder winik sich vom Wort für Mond herleitet ( u , uj ). Denn zwanzig Tage ist der Mond am Himmel zu sehen, bevor er ungefähr neun Tage lang dahinsiecht und schließlich unsichtbar wird. Dreizehn Tage nimmt er zu, danach sieben Tage ab bis zum letzten Viertel. Also könnte die Zwanzig ebenso gut deswegen die Tageszahl eines winal sein, weil der Mond zwanzig Tage am Himmel sichtbar ist, bevor er sich zum Abstieg in die Unterwelt anschickt. Neun wäre dann aus ebendiesem Grund die Zahl der Unterwelten, darin läge gleichzeitig eine Erklärung für die Bedeutung der Zahl Dreizehn, die es möglicherweise deshalb zu Ehren im Kalender – wie mitder Zahl der Himmelsschichten in die Kosmologie – geschafft hat, weil der Mond nach seinem ersten Erscheinen dreizehn Tage des Wachstums braucht, bis er voll und ganz am Himmel erkennbar ist und (im Idealfall) die Nacht mit dem meisten Licht versorgt. Bei dieser Kalkulation könnte es sich aber gut und gerne um ein Beispiel überambitionierter Rechnung nachgeborener Forscher handeln.
Und schließlich machte in der Fachwelt ein weiterer Vorschlag Furore, wie der Ritualkalender der Maya zu verstehen sei. Basiert er vielleicht auf den Zyklen der Venus, immerhin einer der drei wichtigsten Sterne der Maya-Kosmologie? Die Venus erscheint entweder als Morgen- oder als Abendstern kurz vor Sonnenaufgang oder kurz nach ihrem Untergang. Ihr Zyklus von durchschnittlich insgesamt 584 Tagen (von der Erde aus gesehen) umfasst zwei kürzere Phasen, wenn der Stern dem menschlichen Auge verborgen bleibt, weil die Sonne ihn verdeckt oder überstrahlt, während er in den übrigen rund 260 Tagen morgens oder abends sichtbar ist. Dass Himmelsbeobachter schon sehr früh auf die Venus aufmerksam wurden, liegt auf der Hand: Sie ist nach Sonne und Mond der dritthellste Himmelskörper und der hellste der Planeten; hinzu kommt, dass dieser erdnächste Himmelskörper fast wie ein Trabant der Sonne wirkt, da er sich nie allzu weit von ihr entfernt. Die Maya nannten die Venus als Morgenstern passenderweise auch »Hund des Morgens«, der der aufgehenden Sonne und dem anbrechenden Tag schon mal ein Stückchen vorausläuft, ohne sich jedoch allzu weit von ihr wegzutrauen. Die zahlreichen Namen, die ihm die Maya gaben, beispielsweise großer Stern, roter Stern oder heller Stern, belegen seine Bedeutung. Heute wissen wir, dass der angebliche Schwesterplanet ein ziemlich unwirtlicher Flecken Weltall ist: 400 Grad heiß, mit Wolken aus Schwefelsäure und unfähig, den fürs Lebendige unverzichtbaren Wasserstoff an sich zu binden.
Es ließ sich bisher nicht nachweisen, was im Fall des Tzolk’in das Huhn und was das Ei war, und ähnliche Fragen tauchen in der Erforschung des Maya-Kalenders immer wieder auf: Betrieb die Intelligenzia der Maya ambitionierte Astronomie und Kalenderkunde, weil sie über die nötigen mathematischen Kenntnisse dafür verfügte? Oder trieb man die mathematischen Unternehmungen so weit, um sie für Himmelskunde und Zeitmanagement nutzbar zu machen? Nach allem, was wir bisher über die Geschichte von Zeitwahrnehmung und Zeiteinteilung erfahren haben, scheint die plausibelste Reihenfolge zu sein: Neugier und der Drang nach Erklärungen und Ordnung führten wie in anderen prähistorischen Gesellschaften vergleichsweise früh zu einer einfachen Zeiteinteilung, die nach und nach anspruchsvoller wurde, weil man die zunehmend verfeinerte Himmelsbeobachtung dafür einsetzte. Damit erhöhte sich aber auch der mathematische Anspruch, weshalb sich begleitend die mathematischen Anstrengungen verstärkten und sowohl der Zeiteinteilung mittels Kalender als auch der Astronomie zugutekamen. Die Kalenderwirtschaft der Maya ist in diesem Sinne also von ihrer Entwicklung her kein Sonderfall, gleichwohl aber kulturell (also auch religiös/ideologisch und politisch) geprägt, wie das für die anderen Kalendersysteme der Menschheitsgeschichte ebenfalls gilt.
Der lückenhafte Forschungsstand zum Tzolk‘in lässt keine unanfechtbare Schlussfolgerung hinsichtlich seiner Herkunft zu. Wenn wir aber seinen Ursprung sehr früh ansetzen, wie erhaltene Kalenderhölzer von anderswo nahelegen, können wir mutmaßen, wie er sich entwickelt haben könnte: Falls lange vor der
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