Der Medicus von Heidelberg
ich schmutzig war, und mir vorgelesen, wenn ich einsam war. Sie hatten sich auch um Schnapp gekümmert und noch manches mehr getan, so dass ich tief in ihrer Schuld stand.
Auch Professor de Berka war jeden Mittag an meinem Bett erschienen, um mich zu untersuchen.
Als ich meine ersten wackligen Schritte gemacht hatte, sagte ich deshalb: »Ich möchte mich erkenntlich zeigen für das, was ihr getan habt, Brüder. Ich lade euch auf einen Umtrunk in den
Färberwaid
ein.«
Der Römer lachte. »Schon wieder?«
Ich verstand nicht.
Luther grinste. »Er meint, wir alle waren erst vorgestern im
Färberwaid.
«
Da ich noch immer fragend schaute, setzte Tafelmaker, ebenfalls grinsend, hinzu: »Luther hat da seinen Magister gefeiert. Mit Wein, Gesang und Fackelzug. Es war ein feuchter Abend. Allerdings hat man mir ständig den Mund verboten.«
»Und ich durfte nicht Ovid zitieren.« Von Prüm blickte komisch verzweifelt.
»Ganz zu schweigen von meiner Furcht vor dem Weltuntergang, die wieder mal nicht ernst genommen wurde«, beklagte sich Rotenhan.
Ich musste lachen, hielt aber sofort inne, denn der Kopf dröhnte mir dabei zu sehr. »Dann scheint es eine gute Feier gewesen zu sein. Ich gratuliere dir sehr herzlich zur Promotion, Martin. Willkommen im Kreise der Erlauchten. Verschieben wir den Umtrunk also um ein paar Wochen.«
Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen.
»Ich möchte Euch von Herzen danken, Herr Professor«, sagte ich. »Ohne Eure ärztliche Kunst hätte der Tod mich geholt.«
»Dankt nicht mir, dankt der Euch innewohnenden Lebenskraft«, sagte de Berka lächelnd. Er hielt eines seiner vielen Schaubilder in den Händen und war auf dem Weg in den Kleinen Hörsaal. »Es ist ein Wunder, dass Ihr das Kopffieber besiegt habt. Ich kenne nur ganz Wenige, denen das gelungen ist. Im Übrigen« – sein Lächeln verstärkte sich – »wäre es schade um Euch als jungen, aufstrebenden Arzt gewesen. Es gibt nicht viele, denen der liebe Gott eine so große Begabung für unsere Kunst mitgegeben hat.«
»Danke, Herr Professor«, stotterte ich. »Aber wenn Ihr erlaubt, habe ich noch eine Frage, deren Beantwortung ich bei Galen nicht gefunden habe: Könnt Ihr mir sagen, welche Ursachen das Fieber hat und was wir darunter zu verstehen haben?« Ich dachte dabei nicht nur an das Fieber, das ich gerade überwunden hatte, sondern auch an das Kindbettfieber, das so viele Frauen nach der Geburt heimsuchte. Und ich dachte an meine Stiefmutter Elisabeth, die bei ihrer Schnittentbindung wie durch ein Wunder davon verschont geblieben war.
»Das Fieber, Nufer?« De Berka kratzte sich am Kopf. »Wer bin ich, dass ich mehr wüsste als der berühmte Galen? Nun ja, das Fieber ist ganz allgemein die Antwort des Körpers auf eine Erkrankung. Das scheint festzustehen. Wobei die Erkrankung der Schlüssel für die Art des Fiebers ist. Es kann sehr unterschiedlich sein. Denkt nur an Gallenfieber, Fleckfieber, Faulfieber, Fünftagefieber, Drüsenfieber, Wechselfieber, Brustfieber, Wundfieber, um nur einige zu nennen. Allein die Vielfalt seiner Erscheinung macht es schwer, die Beschaffenheit zu beschreiben. Lasst es mich so zusammenfassen: Die Ursache des Fiebers ist eine Krankheit im Körper. Da wir in den meisten Fällen die Ursache der Krankheit nicht kennen, können wir auch nur die Symptome des Fiebers – nämlich die Hitze im Körper – bekämpfen. Immerhin mag die Hitze ein Anzeichen dafür sein, dass der Körper sich gegen die Krankheit wehrt. Mehr wissen wir nicht. Alles, was darüber hinausgeht, müssen wir leider späteren Generationen überlassen.«
»Danke, Herr Professor.« Insgeheim dachte ich, dass die Geburt eines Kindes eigentlich keine Krankheit sei, ließ es aber bei der Antwort bewenden.
»Gern geschehen. Und nun lasst mich vorbei. Ihr wollt doch nicht, dass ich den Beginn meiner eigenen Vorlesung verpasse?« Mit raumgreifenden Schritten eilte er weiter, und ich folgte ihm rasch in den Kleinen Hörsaal, wo meine Kommilitonen bereits warteten.
Kurz darauf war er schon wieder mitten in seinem Vortrag. Hin und her schreitend, hielt er ein gläsernes Gefäß in die Höhe und dozierte: »Was Ihr hier seht, meine Herren Studiosi, ist eine sogenannte
matula.
Darin fängt der Arzt eine Flüssigkeit auf, die in Anlehnung an die Euch bereits bekannte Viersäftelehre häufig und fälschlicherweise als der fünfte Saft bezeichnet wird. Ich spreche vom Harn. Kann mir jemand erklären, warum der Harn nicht als
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