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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Huthenne schien gerührt. »An mir und der guten alten Hierana, wie unsere Universität genannt wird, soll es nicht liegen, das versichere ich Euch. Schließlich habe ich selbst einmal im Collegium Maius gesessen und mit heißem Herzen Theologievorlesungen verfolgt. Wie kann ich Euch am besten helfen? Nun, unabhängig von meinem geschätzten Kollegen de Berka, dessen Fürsprache Ihr sicher habt, werde ich Praetorius, dem zuständigen Sekretarius für die Immatrikulation, einen Wink geben. Dann wird die Sache klappen. Allerdings« – Huthenne zog die Stirn in Falten – »werdet Ihr nicht umhinkommen, eine Gebühr zu entrichten.«
    »Das ist kein Problem, Herr Professor«, sagte ich. »Noch heute will ich versuchen, meinen Handkarren auf dem Gradenmarkt zu verkaufen. Der Erlös dürfte für das Nötigste reichen.«
    »Dann ist ja alles geklärt.« Huthenne erhob sich ächzend und gab mir die Hand. »Als Unterkunft empfehle ich Euch die Burse zum St. Georg. Sie liegt in der Augustinerstraße, nicht weit entfernt von den Gebäuden der Hierana. Gott befohlen, und alles Gute für Euer Studium.«
    »Danke, Herr Professor, Gott befohlen.«
     
    So war es verlaufen, mein Gespräch mit dem ehrenwerten Rektor Paulus Huthenne, und nun stand ich hier in meiner kargen Kammer, die für die nächsten Jahre mein Zuhause sein sollte. Ein Bett, ein Tisch, ein Schemel, zwei Regale an der Wand und eine Truhe für die Kleider, das war schon alles, was mein neues Reich ausmachte.
    Der Vorsteher, ein Mann namens Gemitus, erschien in der Tür. Er war ein kleinwüchsiger Mensch, wehleidig und triefnasig, der mir einen Schlüssel überreichte und mich mit wichtiger Miene ermahnte: »Merkt Euch: Bei uns herrscht Ruhe und Ordnung. Dieser Schlüssel ist nur für Eure Kammer, er passt nicht zum großen Einlasstor. Das heißt, bei uns wird nicht über die Stränge geschlagen. Pünktlichkeit in allen Belangen, Fleiß und Frömmigkeit sind die Grundlagen unserer Gemeinschaft.«
    »Das ist mir bekannt«, gab ich kurz angebunden zurück, denn ich ärgerte mich über Gemitus’ lehrerhaften Auftritt. Er war zwar älter als ich, aber dem Range nach gleich. Außerdem hatte ich schon Jahre in einer Burse verbracht. »Kennt Ihr die Burse im Kollegium am Rheinsprung?«, fragte ich ihn, wohl wissend, dass dies nicht der Fall war.
    »Nein«, sagte er steif.
    »Das dachte ich mir. Sie liegt in Basel. Ich habe vier Jahre lang in ihren Mauern gelebt, während ich die Künste studierte. Die Regeln und der tägliche Ablauf in einer Burse sind mir deshalb nicht ganz fremd.«
    »Dann müsstet Ihr eigentlich wissen, dass die Haltung eines Hundes – zumal eines so großen – nicht statthaft ist.«
    »In meinem Falle schon. Ich habe eine Ausnahmegenehmigung des Regenten, Professor Gansdorff. Er war so freundlich, sie mir zu erteilen. Im Gegenzug werde ich den Bursariern, die in Latein schwach auf der Brust sind, Nachhilfeunterricht erteilen. Wenn Ihr also Bedarf haben solltet …«
    Gemitus schniefte beleidigt, streifte Schnapp mit einem vernichtenden Blick und zog davon.
    Ich genoss meinen kleinen Sieg, verstaute meine wenige Habe und hörte kurz darauf ein Glöckchen auf dem Hof bimmeln. »Das wird der Ruf zum Abendessen sein«, sagte ich zu Schnapp. »Warte hier, bis ich wiederkomme.« Schnapp wedelte mit dem Schwanz und rollte sich folgsam am Fußende meiner Lagerstatt zusammen. »Bis gleich, mein Großer.«
    Im Remter, dem größten Raum der Georgenburse, wurden die Mahlzeiten eingenommen. Lange Tische, angeordnet in Form eines U, bestimmten das Bild. Eine strenge Hierarchie regelte die Sitzordnung. Regent, Vorsteher und Magister saßen am Quertisch, die Baccalarii und jene Studenten, die Verwaltungsaufgaben wahrnahmen, an einem der langen Tische. Am anderen saßen die einfachen Studenten. Von ihnen waren jeweils drei damit betraut, die Speisen, die der Koch mit seinen Hilfskräften zubereitet hatte, aufzutragen. An diesem Abend gab es frisch gebackenes Brot, eine sämige Fleischsuppe und eine Salatbeilage aus Portulak und roter Gartenmelde.
    Hieronymus Gansdorff, der Regent, der gleichzeitig eine Professur für Jurisprudenz an der Hierana innehatte, saß in der Mitte des Quertisches. Er ließ ein kurzes Tischgebet sprechen, woraufhin alle »Guten Appetit!« wünschten. Allerdings auf Latein,
»Bene sit tibi!«,
denn Gansdorff war der Meinung, dass die deutsche Sprache in der Georgenburse nichts verloren habe. Er vertrat diese Auffassung unbeirrt und

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