Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
überlassen«, sagte Ivar K mit unheilverkündender Freundlichkeit.
Kamm zuckte zusammen und rückte ein Stück weiter nach hinten.
»Aber wie sollte das überhaupt wichtig sein? Ich verstehe das ganz einfach nicht. Das sind Peanuts. Das machen alle.«
»Der Verband der Wirtschaftsprüfer freut sich nicht über solche Informationen«, sagte Ivar K.
Kamm erhob sich und lief im Zimmer auf und ab.
»Aber das ist doch wohl keine Angelegenheit für die Kriminalpolizei. Wenn es jemanden etwas angeht, dann den Verband der Wirtschaftsprüfer. Die haben vielleicht ein Interesse daran und dürfen sich gern in die Schlange stellen.«
Wagner musste zugeben, dass Kamm in diesem Punkt recht hatte. Er war sich zwar sicher, dass es noch mehr auszugraben gab, aber mit dem Eingeständnis von Kamms Seite gab es keinen Grund für ihn, dort weiter zu ermitteln.
»Sie haben behauptet, Mette habe nie an eigenständigen Projekten gearbeitet«, sagte Ivar K. »Sie haben uns angelogen.«
Kamm seufzte und breitete die Arme aus.
»Selbstverständlich habe ich das. Das war ja auch harmlos. Es gab keinen Grund, da andere mit hineinzuziehen, und schon gar nicht gute Kunden, die nichts mit der Sache zu tun haben.«
|302| »Wer sind die?«, hakte Ivar K nach. »Wir benötigen Namen, und zwar jetzt gleich.«
Kamm warf einen Blick auf seine Uhr. Aber wahrscheinlich veranlasste ihn seine Erfahrung vom letzten Mal, sofort nickend zuzustimmen und Ivar K nicht unnötig zu reizen.
»Okay. Aber da ist kein Bösewicht dabei.«
Ivar K zückte sein Notizheft.
»Jetzt rücken Sie die endlich raus. Und wenn wir feststellen, dass Sie auch nur einen einzigen Namen ausgelassen haben, dann buchten wir Sie ein!«
Wagner beobachtete Kamm aufmerksam, während dieser sieben Namen von Privatpersonen und Firmen aufzählte. Als der letzte Name fiel, sah er zu Ivar K. Den kannten sie.
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Kapitel 45
Janos Kempinski fuhr den Wagen aus dem Carport und machte sich auf den Weg nach Skejby. Ihn erwarteten keine OPs an diesem Tag, außer es gab einen Notfall. Genaugenommen war es einer jener Tage, an denen er ein bisschen Freiraum zur Verfügung hatte. Nicht, dass es ihm in den Sinn gekommen wäre, etwas anderes zu tun, als ins Krankenhaus zu fahren. Schließlich gab es immer Patientengespräche und Sitzungen, denen er nachkommen musste.
Er hatte gerade an der Q8-Tankstelle vollgetankt und sich eine Packung Minzbonbons gekauft, als sein Entschluss feststand. Dann rief er vom Handy aus die Auskunft an und ließ sich gleich mit der Nummer in Vejle verbinden. Fünf Minuten dauerte das Gespräch. Dann rief er sein Büro im Skejby Krankenhaus an, wo Lena Bjerregaards Stimme ihm einen Guten Morgen wünschte.
»Sag bitte alle meine Termine bis dreizehn Uhr ab und sei in zehn Minuten unten beim Eingang.«
|303| Er ließ ihr keine Zeit, Fragen zu stellen, weil er wusste, dass sie sonst abgelehnt hätte. So war es besser. Der konkreten Anordnung ihres Vorgesetzten konnte sie sich nicht widersetzen.
Es regnete, und er schaltete den Scheibenwischer ein, als er die Tankstelle verließ. Er sah die Welt wie durch einen nassen Vorhang, verzerrt. Sie würde niemals wieder so sein wie zuvor. Mit ihm war etwas geschehen. Früher hätte er geschworen, dass ihm so etwas niemals widerfahren würde. Die Vernunft meldete sich für einen kurzen Augenblick zu Wort, er nahm sich ein paar Minuten Zeit, um sich von seinem alten Ich zu verabschieden. In Wirklichkeit hatte er gar keine Wahl.
Sie stand unter dem Vordach, eingewickelt in ihren roten Regenmantel. Seine innere Unruhe verschwand, als er die Tür öffnete und sie sich auf den Beifahrersitz gleiten ließ.
»Hallo. Wo fahren wir denn hin?«
»Nach Vejle«, sagte er und küsste sie zur Begrüßung, ohne sich darüber Gedanken zu machen, ob sie jemand sehen könnte.
Sie sah ihn an, ihre Augen waren gefüllt mit Tränen, als würde sie weinen.
Er fuhr los.
»Okay.«
Eine Weile saß sie schweigend neben ihm, bis sie den Randersvej erreicht hatten.
»Ich muss mich krankschreiben lassen«, sagte sie. »So geht das nicht weiter.«
Er griff nach ihrer Hand.
»Nein, selbstverständlich. Du machst das so, wie es für dich das Beste ist. Aber zuerst fahren wir nach Vejle, ja?«
»Was ist denn in Vejle?«
»Du wirst schon sehen.«
Er nahm die Autobahn nach Süden. Die meiste Zeit saßen sie schweigend nebeneinander, ihre Hand in seiner. Sie war so warm und lebendig, und er war verwundert, dass die bloße Berührung ihrer
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