Der Messingmann
erwischt man ganze Organe statt nur Fetzen.«
Tergal musterte den Sleer. »So«, sagte er, »du machst so was also schon seit zehn Jahren.«
»Alles in allem«, sagte Anderson, kramte mit dem Messer fettige Fleischkuchen aus einer Käferschachtel und klatschte sie auf die Heizplatte des Herds. »Aber es ist nicht immer so gefährlich, wie es vielleicht scheint. Einen Bastard dieses Formats … « Er deutete auf den Sleer. » … trifft man nur etwa zweimal im Jahr, und die Bezahlung ist gewöhnlich gut.«
»Manche Leute würden so was möglicherweise verrückt finden«, stellte Tergal fest.
»Man verdient seinen Lebensunterhalt damit.« Er blickte Tergal ganz offen an. »Und es ist ehrliche Arbeit…«
Ah…
Tergal senkt die Hand auf seine Faustfeuerwaffe, denn er wusste nicht, was der Ritter jetzt tun würde. Plötzlich befand sich die fettige Spitze von Andersons Messer direkt unter Tergals Ohr. Der junge Mann schluckte trocken und nahm die Hand von der Waffe. Er hatte nicht mal gesehen, wie sich der Ritter bewegte.
»Wie viele Menschen hast du schon ausgeraubt und umgebracht?«, erkundigte sich Anderson im Plauderton.
»Ich habe niemanden umgebracht«, antwortete Tergal, wohl wissend, dass hier sein Leben auf dem Spiel stand.
»Die Jade - und das Sandschwein?« Anderson deutete hinüber.
Tergal dachte nicht im Traum daran zu lügen. »Ich habe beides meinem Stiefvater gestohlen.« »Erzähl mir davon.« Anderson lehnte sich zurück und nahm das Messer weg.
Tergal schilderte ihm die Ereignisse und achtete derweil sorgsam darauf, mit der Hand nicht in die Nähe der Waffe zu kommen. Jetzt, wo die Fleischkuchen brutzelten, holte Anderson gelassen einige Brötchen aus einer Tasche, schnitt sie mit dem Messer auf und bestrich sie mit Pfefferpaste aus einem kleinen Topf. Als Tergal wieder still wurde, sagte der Ritter. »Tee wäre jetzt gut.« Tergal holte einen Kessel hervor und füllte ihn mit Hagel körnern. Er stellte ihn auf den Herd, sobald Anderson die Fleischkuchen in die Brötchen gesteckt hatte.
»Macht mich immer hungrig - die Gefahr«, bemerkte der Ritter dazu.
»Verrückt«, versuchte Tergal, an den Humor von eben anzuknüpfen.
Anderson blickte auf. »Also, wie viele Leute hast du ausgeraubt?«
»Ich habe Handelskarawanen bestohlen, mit denen ich reiste.«
»Also hättest du mit mir eine höhere Stufe erreicht. Wäre ich dein erstes Eins-zu-eins-Opfer gewesen?«
Tergal senkte den Kopf. »Ich kehre um, sobald dieser Sturm abgezogen ist.«
»Du bleibst bei mir, bis ich etwas anderes sage«, kommandierte Anderson. Plötzlich hob er den Blick und spähte in den Sturm. »Wo wir von Verrücktheit sprechen.«
Mit ihrem langen Mantel und breitkrempigen Hut sah die Gestalt, die durch die Schlucht marschierte, wie ein Gossenhändler aus. Der Mann war jedoch allein, zu Fuß im Sturm unterwegs und anscheinend ohne jedes Gepäck. Tergal musterte dieses Individuum und fragte sich, was ihm daran so seltsam vorkam. Dann wurde ihm bewusst, dass der Mann übergroß war.
»Heh! Du da! Komm herüber, heraus aus dem verdammten Sturm!«, schrie Anderson.
Der Mann blieb plötzlich stehen, und sein Gesicht wandte sich ihnen auf eine entschieden fremdartig wirkende Art und Weise blitzartig zu. Er zögerte eine Weile, drehte sich um und kam auf sie zu, wobei er sich den Hut tief in die Stirn zog. Neben dem Sleer blieb er stehen, um dem Kadaver eine lange und bedächtige Inspektion zu widmen, ehe er abrupt weiterging. Als diese seltsame Erscheinung näher kam, wünschte sich Tergal auf einmal, Anderson hätte den Mund gehalten.
Der Mann duckte sich durch die Öffnung des Unterstands und versperrte ihnen dabei fast komplett die Aussicht. Dann hockte er sich neben den Herd und hielt dabei den Kopf gesenkt, sodass sie sein Gesicht nicht erkennen konnten. Als er die Hände ausstreckte, um sie zu wärmen, sah Tergal, dass sie scheinbar in Handschuhen aus Messing steckten. Der junge Mann warf Anderson einen Blick zu und stellte fest, dass der Ritter diese Hände anstarrte, aber nicht geneigt schien, noch etwas zu sagen.
»Hast du dich verirrt?«, wandte sich Tergal nervös an die Gestalt. »Wo ist dein Schwein abgeblieben oder der Zug, dem du angehörst?«
Keine Antwort.
Tergal blickte erneut zu Anderson hinüber, der ihren neuen Gefährten jetzt mit besorgter Miene betrachtete. Hinter diesem Furcht erregenden Individuum erzeugte der Sleer ein Zischen.
»Keine Sorge, nur eine Nervenreaktion«, sagte Anderson
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