Der Minnesaenger
wälzte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Am blauen Himmel zogen Quellwolken vorüber.
»Was ist los?«, fragte Johanna. »Ich habe doch gesehen, wie bereit du warst. Du willst es doch genauso wie ich.«
»Es geht nicht.«
»Morgen oder übermorgen bekomme ich die Monatsblutung. Du brauchst keine Angst zu haben. Oder ist es wegen der Frau, nach der du im Fieber gerufen hast?«
»Welche Frau?«
»Du nanntest sie Judith«, sagte Johanna und setzte sich auf ihre Unterschenkel.
»Judith ist nur eine Spielgefährtin aus Kindertagen.«
»Das glaube ich dir nicht!«, sagte Johanna. Zuerst bebten ihre Lippen, dann liefen ihre Augen über. »Wirst du eines Tages mit ihr leben und Kinder haben? Wirst du ihr deine Lieder vorsingen?«
»Johanna - was ist denn los? Seit dem Turniertag hat sich dein Verhalten völlig verändert. Vorher musizierten wir zusammen und gingen unbefangen miteinander um. Und jetzt... Ich verstehe nicht, warum du plötzlich so...«
»Kannst du es dir nicht denken?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»In den vergangenen Jahren beschützte mich die Herzogin.
Seit ihrem Tod bin ich der Willkür meines Oheims ausgeliefert. Er prüft schon die Angebote, um mich meistbietend zu verheiraten. Wenn ich mir vorstelle, wie ich einem Greis zu Diensten sein muss, wird mir übel. Lieber werde ich Ordensschwester, als mich bis ans Ende meiner Tage erniedrigen zu lassen.«
Hartmann blickte sie lange an, dann begriff er die Zusammenhänge. »Und bevor du ins Kloster gehst, willst du noch einmal spüren, wie es sich anfühlt, mit einem Mann zusammen zu sein. Ist das richtig?«
»Du darfst es mir nicht verübeln. Ich habe dich ganz bewusst ausgewählt. Und so ganz schrecklich dürfte die Erfahrung für dich auch nicht sein, oder? Du magst mich doch, nicht wahr? Bitte weise mich nicht zurück! Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll - bitte!« Ihre salzigen Lippen suchten seinen Mund. Hastig, verzweifelt und gierig küsste sie ihn. Ihr Körper drängte sich an ihn. Erneut fasste sie nach seinem Glied und rieb es zwischen den Fingern.
»Nicht!« Hartmann befreite sich aus ihrer Umarmung. »Es tut mir leid - du weißt, wie gerne ich mit dir zusammen bin -, aber es geht nicht.«
Johanna starrte ihn mit offenem Mund an. Plötzlich sprang sie auf die Füße, griff nach ihrem Kleid und rannte in den Wald. Hartmann beobachtete, wie sie im Dickicht verschwand, und unterdrückte den Impuls, ihr nachzulaufen. Wenn er sie tröstete, würde er alles nur noch schlimmer machen.
14.
Am folgenden Sonntag hängte er sich einen Schlauch mit Brunnenwasser über den Rücken und verließ die Burg durch das offene Tor. Kurz nach Sonnenaufgang waren die Temperaturen noch erträglich. Wenn er sich beeilte, würde er sein Ziel vor der großen Mittagshitze erreichen.
In den vergangenen Tagen hatte er über sein Verhalten nachgedacht. Es wäre das Natürlichste von der Welt gewesen, wenn er mit Johanna geschlafen hätte. Kein normaler Mann hätte ihm einen Vorwurf gemacht, wenn er ihrem Wunsch entsprochen hätte. Und trotzdem war er zu der Überzeugung gelangt, dass es wichtiger war, seinen Werten treu zu bleiben, als sich von Impulsen hinreißen zu lassen.
Sein bisheriges Wissen über das Geschlechtliche war vor allem von theoretischer Natur gewesen. In der Klosterschule hatten die Mönche keine Gelegenheit ausgelassen, um die Frauen als Trägerinnen der Erbsünde darzustellen. Sie alle trügen die Verantwortung für Evas persönliches Versagen und wären durch und durch verderbt. Nur im Stand der Ehe dürfe sich der Mann diesen bösen Geschöpfen nähern. Und nur allein um Nachkommen zu zeugen, dürfe der Geschlechtsakt vollzogen werden.
Blixa hatte ihm einmal gesagt, dass die Leidenschaftlichkeit der Ausführungen wahrscheinlich mit der Enthaltsamkeit des geistlichen Standes zusammenhängen würde. Wie viel Wahrheit tatsächlich in ihnen steckte, konnte Hartmann nicht beurteilen, aber seitdem der Abt in Sankt Georgen seine Harfe verbrannt hatte, zweifelte er ernsthaft daran, ob die Heilige Mutter Kirche und ihre Vertreter
überhaupt den Willen des Allmächtigen repräsentierten oder ob sie ihn nur nach Belieben vorschoben, um Macht auszuüben.
Ganz anders ging es im Gesindehaus zu, wo die Männer häufig Zoten über den Koitus rissen und nicht selten mit ihren Leistungen prahlten. Ständig erfanden sie neue Namen für die anatomischen Details der Frau und amüsierten sich dabei prächtig. Der
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