Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
einziger Trost bestand darin, dass das Deck der Balazuma geringfügig höher war und die Gegner ihre Armbrüste nicht effektiv verwenden konnten. Stattdessen blieben sie auf ihre Klingen angewiesen. Zwar lag jede Menge Verstärkung direkt in der Bucht nebenan, die, wie Lena jetzt im Moment mit Entsetzen erkannte, nicht einmal genügend vor den Blicken der Angreifer geschützt war. Doch diese Verstärkung konnte nicht zu ihnen gelangen, da sich die Lücke bereits wieder schloss.
Auf so starke Gegner war die Besatzung der Balazuma nicht vorbereitet. Obwohl die Catjary ihre Besatzungen auch für den Kampf ausbildete und bewaffnete, war sie eben doch nur eine Handelsgesellschaft.
Lena und Alfred mussten Schritt für Schritt zurückweichen und selbst Rolf, vor dem sich bereits die Leichen seiner Gegner auftürmten, konnte nicht anders handeln, um die Verteidigungslinien nicht aufbrechen zu lassen. So wurde Platz geschaffen, um mehr und mehr Soldaten herüberzuschicken.
Lena hatte einen hässlichen Schnitt am Oberschenkel abbekommen und mehr und mehr machte sich Verzweiflung bei ihr breit. Erstmals gelang es ihr, einen ihrer Gegner überhaupt zu treffen. Das wird ihm trotz des Schuppenpanzers eine hässliche Beule verpassen, dachte sie schadenfroh, obgleich ihr klar war, dass sie dadurch nicht einmal ein wenig Boden, geschweige denn diesen Kampf gewinnen würde. Plötzlich flammten zwischen ihr und dem anderen Schiff und zum Teil auch auf dem gegnerischen Deck überall Feuer auf. Ah, Velinas hat unsere für Notfälle reservierten Geheimwaffen aus ihrem Versteck geholt und an die Matrosen verteilt: Die Molotowcocktails, die Emily für uns ausgetüftelt hat.
Das Feuer zwang die Angreifer, ihre Formation aufzugeben und entweder noch heftiger anzugreifen oder ganz zurückzuweichen. Beide Verhaltensweisen konnte Lena beobachten. Um Rolf hatte sich jedoch eine dichte Traube von ihnen gehalten und auch sie und Alf wurden weiter bedrängt. Lena sah die Klinge eines der Soldaten auf Alf niederfahren und wusste, dass weder sie noch er schnell genug reagieren könnten, um da noch auszuweichen oder abzublocken. Hilfe war nicht in der Nähe und Lena schrie auf. Tot sah sie Alf danieder sinken.
Dieses Bild stand so lebensecht vor ihrem inneren Auge, dass Lena zunächst nicht begriff, dass es gar nicht wirklich so weit gekommen war. Der heftige Stoß, der in diesem Augenblick durch die beiden miteinander vertäuten Schiffe fuhr, war kein Ausdruck ihrer mentalen Erschütterung. Er war so höchstreal, dass er sämtliche Kämpfer von den Beinen fegte. Was ist nur geschehen?, dachte Lena verwirrt und sprang dennoch so rasch wie möglich wieder auf die Füße. Da sah sie es. Die Balazuma war ja nicht alleine in diesem Gefecht. Der Kapitän des Frachtschiffes hatte eine Weile gebraucht, einen Weg zu finden, effektiv in den Kampf einzugreifen. Seine Geschütze zielten ebenfalls meistenteils zu hoch und die Gefahr, die Falschen zu treffen, wäre ohnedies mit Schuss- und Wurfwaffen nicht gering gewesen. Seine Mannschaft taugte auch im Nahkampf nicht viel. Daher hatte er sich auf den starken Rumpf seines Schiffes besonnen und den Angreifer kurzerhand von hinten gerammt.
Lena sah ebenso wie ihr Kapitän sofort, dass die Balazuma sich durch diese Attacke losgerissen hatte. Die Besatzung schöpfte jetzt, da der Feind erst einmal vom Nachschub abgeschnitten war, neuen Mut und bald darauf war das Deck feindfrei.
„Die Geschütze!“, brüllte Alfred, wobei ihm Ströme von Blut aus dem Mund liefen. Die gegnerische Klinge hatte ihn nicht ganz verfehlt, sondern seine linke Backe durchbohrt.
Während die Geschütze der Balazuma den Gegner in feine Stückchen zerschossen und die Brände auf dem eigenen Schiff gelöscht werden mussten, traf ihn der Schock dieser Verletzung. Er verlor das Bewusstsein. Daher waren weder Lena noch Rolf an Deck, um zu verhindern, dass ihre Feinde bis auf den letzten Leichtmatrosen niedergemetzelt wurden. Beide hatten ihren Freund beziehungsweise Geliebten zu Doktor Benthan gebracht, der den Schaden mit einem Achselzucken quittierte und rasch vernähte. Er musste in den letzten Tagen viel Schlimmeres gesehen haben.
Zwei Tage darauf lief das Vorauskommando des bislang größten Handelszugs der Catjary, der nie als blutige Kriegsfahrt gedacht gewesen war, wohlbehalten in den mit Abstand größten Hafen ein, den Lena, Alf und Rolf in dieser Welt gesehen hatten. Alfred war noch etwas bleich um die Nase. Sie
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