Der Mord zum Sonnntag
abreisen kann zu ihrem Presseempfang, geht ihr die
Serie verloren. Das Studio läßt sie glatt fallen, wenn sich
rausstellt, daß sie festgehalten wird. Auf dich hört Scott.
Überrede ihn, Cheryl da rauszulassen, und ich gebe dir
dafür einen Wink wegen der Briefe.»
Elizabeth starrte ihn an. Er schien ihr Schweigen für
Zustimmung zu nehmen. Während er weitersprach,
trommelte er mit den Fingern auf dem Tisch. «Der Baron
hat Karussell geschrieben. Ich hab die ersten Entwürfe mit
seinen handschriftlichen Korrekturen. Spielen wir’s doch
mal durch, Elizabeth, rein hypothetisch. Angenommen,
das Stück wird ein Hit. Der Baron braucht Min nicht mehr.
Cypress Point hängt ihm zum Hals raus. Er ist jetzt
Broadway-Autor und ständig mit Leila zusammen. Wie
könnte Min das verhindern? Indem sie dafür sorgt, daß es
garantiert ein Reinfall wird. Wie bewerkstelligt sie das?
Indem sie Leila zerstört. Und sie wußte am besten, wie das
zu geschehen hätte. Ted und Leila waren seit drei jähren
liiert. Wenn Cheryl sie auseinanderbringen wollte, warum
hätte sie damit so lange gewartet?»
Bevor sie antworten konnte, machte der Stuhl das
gleiche scharrende Geräusch wie bei seiner Ankunft.
Elizabeth blickte ihm nach. Es war möglich. Und es ergab
Sinn. Sie hörte Leila sagen: Meine Güte, Spatz, ist das bei
Min nicht die reine Affenliebe? Ich möchte um alles in der
Welt nicht diejenige sein, die ihr bei ihrem
Spielzeugsoldaten in die Quere kommt. Min würde sofort
das Kriegsbeil ausgraben und damit auf mich losgehen.
Oder mit Schere und Klebstoff?
Syd entschwand ihren Blicken. Es könnte klappen,
dachte er. Sie hatte es ihm leichtgemacht, seinen Trumpf
auszuspielen. Wenn sie es schluckte, würde der Verdacht
gegen Cheryl vielleicht hinfällig. Das flüchtige Lächeln
erlosch wieder. Vielleicht …
Doch wie stand es um ihn selbst?
5
Blicklos und wie erstarrt saß Elizabeth am
Schwimmbecken, bis die muntere Stimme der Kursleiterin
sie aus ihrem Schock aufschreckte. Mit wachsendem
Entsetzen hatte sie die Ungeheuerlichkeit von Mins
möglichem Verrat zu ermessen versucht. Nun stand sie auf
und machte sich auf den Weg zum Hauptgebäude.
Der Nachmittag hielt, was der Morgen versprochen
hatte. Warmer Sonnenschein, kein Windhauch, selbst die
Zypressen wirkten sanft und nicht bedrohlich, ihre
dunklen Blätter glänzten. Die farbfrohen Blumenrabatten
waren frisch gegossen und entfalteten ihre Blütenpracht.
Am Empfang amtierte eine Aushilfskraft, eine
freundliche Dreißigerin. Der Baron und seine Frau waren
ins Monterey Hospital gefahren, um Mr. Meehan ihren
Beistand anzubieten. «Sie sind völlig verzweifelt
ihretwegen.» Die Fürsorge schien sie zutiefst zu
beeindrucken.
Sie waren auch verzweifelt, als Leila starb, dachte
Elizabeth. Jetzt fragte sie sich, inwieweit Mins Kummer
ihrem Schuldgefühl entsprungen war. Sie schrieb ein paar
Zeilen an Helmut und verschloß den Umschlag. «Bitte
geben Sie dies dem Baron, sobald er zurückkommt.»
Sie warf einen Blick auf den Fotokopierer. Sammy hatte
das Gerät eingeschaltet, als sie aus irgendeinem Grund ins
römische Bad wanderte. Wenn sie nun wirklich durch
irgendeinen Anfall desorientiert war? Wenn sie nun den
Brief im Fotokopierer gelassen hatte? Min war am
nächsten Morgen früh nach unten gekommen. Womöglich
hatte sie ihn gefunden und vernichtet.
Erschöpft ging Elizabeth zu ihrem Bungalow. Sie würde
nie erfahren, wer diese Briefe geschickt hatte. Niemand
würde das je zugeben. Wozu blieb sie noch hier? Es war
alles vorbei. Und was gedachte sie mit dem Rest ihres
Lebens anzufangen? Ted hatte ihr in seinem Brief
gewünscht, sie möge einen neuen, glücklicheren Abschnitt
beginnen. Wo? Wie?
Ihr Kopf schmerzte – ein dumpfes, pausenloses
Hämmern. Ihr fiel ein, daß sie den Lunch abermals
übersprungen hatte. Sie wollte sich telefonisch nach
Alvirah Meehan erkundigen und dann packen. Eine
traurige Bilanz: Es gab keinen einzigen Ort der Welt, an
den es sie hinzog, keinen einzigen Menschen, den sie
sehen wollte. Sie holte einen Koffer aus dem
Wandschrank, klappte ihn auf, hielt jäh inne.
Sie hatte immer noch Alvirahs Brosche. Sie steckte noch
in der Hosentasche. Sie nahm sie heraus und stellte fest,
daß sie schwerer war, als man ihr ansah. Sie war zwar
keine Schmuckexpertin, doch hier handelte es sich
zweifellos nicht um ein wertvolles Stück. Sie drehte es
um, betrachtete die Rückseite. Die Brosche besaß nicht
den
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