Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Putnam, der amerikanische Leiter der Mission, saß zwischen seinen beiden
festen Mitarbeitern und brachte eine flüsternd geführte Diskussion mit energischer Handbewegung zum Verstummen. Einige der einheimischen Freiwilligen und
die fünf Kollegen Arons, Akademieschüler aus Australien und Amerika, verharrten schweigend am anderen Ende der großen, ovalen Tafel und warteten auf den
Beginn der Sitzung. Als Putnam aufblickte und Aron eintreten sah, nickte er ihm zu, raffte seine Papiere zusammen und bedeutete den anderen, ihre Plätze
einzunehmen.
„Lagebesprechung,“ stieß er in militärisch strengem Tonfall hervor. Dan war seit einem halben Jahr auf Bali und führte die Mission mit völliger Ignoranz
der kulturellen Eigenheiten des Gastlandes buchstabengetreu nach den Vorschriften des Hauptquartiers. Er betrachtete die Stellung als Missionsleiter nur
als unbequeme Zwischenstufe seiner Ligakarriere und setzte alles daran, um seine Vorgesetzten im Hauptquartier zufriedenzustellen.
Die einheimischen Freiwilligen erstatteten umständlich Bericht über die Plakataktion in den Städten und größeren Dörfern der Insel. Dan hörte ihnen eine
Zeit lang ungeduldig zu, dann unterbrach er I Gede, den Sprecher der Gruppe.
„Es geht jetzt nicht darum, jede Straßenecke aufzuzählen, an der ein Plakat hängt, sondern Gesamtzahlen zu nennen. Wie viele Plakate hängen in Denpasar,
wie viele in Ubud, wie viele in Singaraja? Wie reagieren die Leute darauf? Es ist unsere erste Plakataktion in Indonesien, seit uns die Regierung dank dem
Einfluss einiger mächtiger Gönner der Liga öffentliche Werbung erlaubt hat. Es ist ein wichtiger Schritt nach vorne für uns.“
„Die meisten können die Plakate nicht lesen,“ entgegnete I Gede mit unsicherem Lächeln. „Die Verbreitung von Nachrichten geschieht auf Bali gewöhnlich
nicht durch Plakate.“
Dan machte eine abfällige Handbewegung. „Wenn sie nicht lesen können, wird das Bildmotiv ihr Interesse wecken. Sie können sich den Text vorlesen lassen.
Diese neuen Plakate erregen derzeit überall auf der Welt Aufmerksamkeit, also werden sie das auf Bali auch tun.“
Dan hob eines der Plakate hoch, damit alle Anwesenden es sehen konnten. Es zeigte ein Bild von Mahaguru Ken Andersen inmitten eines blühenden Gartens. „Die
Macht des Hju“ stand in golden glänzenden Buchstaben zu lesen und darunter der Hinweis auf die demnächst beginnende Vortragsreihe über Grundlagen der
Liga-Lehre. „Es wird nicht viele Balinesen geben, die je ein so gut gestaltetes und sauber gedrucktes Plakat gesehen haben,“ sagte Dan. „Es genügt völlig,
wenn es ihre Aufmerksamkeit weckt. Alles andere finden sie schon heraus. Ihr werdet sehen, diese Vortragsreihe wird die größte und erfolgreichste
Veranstaltung unserer Mission werden.“
Die Freiwilligen nickten. Es waren Liga-Mitglieder unterer Ränge, die Hilfsdienste für die Mission ausführten und darauf hofften, dass ihr Einsatz ihnen
irgendwann einmal neben den kargen Zuwendungen, die Dan hin und wieder verteilte, eine Karriere in der Liga eröffnete. Sie träumten von Amerika oder
Europa, von einem Sonderstipendium an einer Liga-Akademie, das reiche Atmas manchmal für Liga-Studenten aus der Dritten Welt ausschrieben, oder von einer
Anstellung in einer Firma, die der Liga nahestand. Dan misstraute ihnen, obwohl er dies nie offen aussprach, doch allein der Blick, mit denen er sie
während ihrer Ausführungen musterte, brachte seine Geringschätzung der balinesischen Missionshelfer deutlich zum Ausdruck.
„Und laufen die Radiospots?“, fragte er. „Die brauchen sie nicht einmal zu lesen. Da müssen sie nur hinhören.“
I Gede nickte. „Es ist alles in Ordnung.“
„Bestens.“ Dan wandte sich an die Akademiestudenten: „Über die Verteilung der Vorträge haben wir gestern gesprochen. Hat sich jeder überlegt, ob er mit
seinem Thema einverstanden ist?“
Die Angesprochenen nickten. Die sechs Akademiestudenten mussten sich Themen wie Organisation, Geschichte, Verbreitung der Lehre, Schulungsangebot und
andere äußerliche Aspekte der Liga teilen, die beiden festen Mitarbeiter des Missionshauses würden gemeinsam die Philosophie der Liga erörtern und der
Missionsleiter würde abschließend die unzähligen Vorteile und Möglichkeiten aufzählen, die sich jedem eröffneten, der sich der Liga anschloss. I Gede hatte
vorgeschlagen, die Themen anders zu gewichten, da er befürchtete, dass seine Landsleute wenig
Weitere Kostenlose Bücher