Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Deshalb verzichte ich ausnahmsweise auf einen entsprechenden Vermerk im Missionsbericht. Wenn so etwas allerdings noch
einmal vorkommt, werde ich dich für eine Korrekturschulung vormerken und deinen Lirep informieren. Aber jetzt bitte die Zahlen. Wir müssen weitermachen.“
„Es waren dreizehn Personen bei dem Vortrag anwesend, die Missionsmitarbeiter ausgenommen,“ brachte Aron tonlos hervor.
„Gut. Ist das notiert für den Monatsbericht? Singaraja, Einführungsvortrag, dreizehn Neuinteressenten. Dann gleich weiter zu Punkt drei. Wir bekommen
Besuch. Die
Wahrheit
schickt zwei Leute, eine Journalistin und einen Fotografen, die über unsere Arbeit berichten werden. Das ganze soll natürlich
mit dem üblichen Material über die hiesige Kultur aufbereitet werden – Tänze, Musik, Holzschnitzerei und so weiter.“ Putnam verdrehte spaßhaft die Augen.
„Schon wieder das romantische Bali. So werden den Leuten wohl die schrägen Vorstellungen in den Kopf gesetzt. Aber die
Wahrheit
hat sich
bekanntlich die Verbreitung der Liga-Weltkultur auf die Fahnen geschrieben und wird die Dinge schon in den richtigen Zusammenhang rücken. Der Artikel über
Ghana in der letzten Ausgabe jedenfalls war erste Güte.“
Die Atmas nickten ergeben.
„Bali scheint zu ziehen in den Medien,“ fuhr Putnam fort. „Geheimnisvolles Asien, rätselhafte Hindukultur, Strände, Götter und Künstler.“ In seiner Stimme
lag beißender Spott. „Wir haben regelmäßig Besuch von Journalisten. Manchmal komme ich mir vor wie der Direktor eines Freilichtmuseums. Aber dass sich die
Wahrheit
für uns interessiert, ehrt mich. Das Blatt wird mittlerweile in über zwanzig Sprachen übersetzt. Wir werden unweigerlich berühmt, meine
Damen und Herren.“
Die Runde lachte.
„Es gibt einige Vorkehrungen zu treffen. Ich will, dass alles in der Mission wie am Schnürchen läuft. Es ist kein Gerücht, dass auch der Mahaguru die
Wahrheit
liest. Wir werden ein stimmiges und positives Bild unserer Arbeit präsentieren, ohne zu übertreiben, aber auch ohne uns reumütig an die
Brust zu klopfen, weil die Zuwachsraten in Indonesien geringer ausfallen als in Kalifornien.“
Wieder lachten die Atmas.
„Wir brauchen einen verlässlichen Fahrer, der stets zur Verfügung steht, der die Insel kennt und vor allem auch die Plätze, an denen unsere Plakate
hängen.“
„Ich könnte das übernehmen,“ meldete sich I Gede.
„Einverstanden. Wir nehmen den Minibus. Es versteht sich von selbst, dass er innen und außen blitzblank sein muss. Und dass mir nicht wieder jemand auf die
Schnapsidee kommt, Räucherstäbchen oder Opfergaben aufs Ablagebrett zu legen. Bei wichtigen Fahrten werde ich selbst dabei sein, ansonsten sollen unsere
Studenten sich einteilen. Es schadet sicher nicht, Journalisten der
Wahrheit
kennenzulernen. Allerdings erbitte ich mir dafür eine besonders
gründliche Vorbereitung auf die Vortragsreihe, denn wir werden die
Wahrheit
selbstverständlich auch dazu einladen. Es passt zeitlich alles
wunderbar zusammen. Wir müssen ein knackiges Programm präsentieren, damit sich die beiden Journalisten nicht langweilen. Ansonsten die üblichen
Sehenswürdigkeiten, Tanzaufführungen im Kunstzentrum, Besuch bei sattelfesten lokalen Atmas und so weiter. Sie reisen anschließend übrigens zusammen mit
mir nach Jakarta, um unsere Zweigstelle zu inspizieren. Ich möchte nicht orakeln, aber ihr Besuch dient bestimmt nicht ausschließlich dem Sammeln von
Eindrücken und schönen Fotos. Gewöhnlich haben Reporter der
Wahrheit
einen geübten Blick für Missstände und Unregelmäßigkeiten. Ich gehe davon
aus, dass jeder hier sich seiner Verantwortung wohl bewusst ist und diese getreu den Leitsätzen im
Buch der Erleuchtung
ausführt. Vor allem keine
unnötigen Diskussionen wie gerade eben. Ich möchte vor diesen Leuten nicht mit albernen Grundsatzfragen konfrontiert werden. Wer sich nicht mit der Vision
der Liga-Weltkultur identifizieren kann, ist hier fehl am Platze. Alles klar?“
Alle nickten.
„Wir wollen abschließend gemeinsam das Hju singen, um die Spannung von vorhin aufzulösen.“
Die Atmas rückten sich auf ihren Stühlen zurecht, schlossen die Augen und nahmen einige tiefe Atemzüge.
Im gleichen Augenblick setzte ein laut trommelndes Geräusch auf dem Dach ein. Ein heftiger Regenguss stürzte herab.
Kapitel 7
Das gelbe Buch III
Welten der Wahrheit
, Jasons erstes Buch, das im neu gegründeten Liga-Verlag erschien und über
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