Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
die Vertriebskanäle meines eigenen Verlages nach draußen ging, wurde ein
Volltreffer. Es dauerte eine Weile, bis es aus esoterischen Insiderkreisen an die breite Öffentlichkeit drang, dann jedoch war sein Erfolg nicht mehr zu
bremsen. Ich kann mir bis heute nicht erklären, warum diese Mischung aus Science-Fiction und willkürlichen Plagiaten einschlug wie eine Bombe. Ted machte
im
Star
Werbung, stellte den Autor in einem mehrseitigen Interview vor, schaltete kleine Inserate in anderen Magazinen, doch es konnte nicht
alleine die Wirkung dieser Maßnahmen sein, die einen solch breiten Erfolg nach sich zog. Auch andere Bücher wurden im
Star
empfohlen, keines davon
hatte nur annähernd die Schubkraft von
Welten der Wahrheit
. Es schien, als würde jeder Leser das Buch zwanzig oder hundert anderen Menschen
weiterempfehlen. Die Buchhandlungen außerhalb der Metropolen, die den Titel zuerst überhaupt nicht ins Sortiment genommen hatten, bestellten auf einmal in
Partien, das Postfach der Organisation quoll über mit Direktbestellungen und Anfragen über Informationen zur Mitgliedschaft in der Liga. Die erste Auflage
war im Nu ausverkauft. Wir druckten nach, eine entsprechend höhere Stückzahl. Ted und ich zuckten die Achseln und warteten auf das Ausrollen der
unerwarteten Lawine. Mit dem Verkauf der ersten Auflage waren die Unkosten bei Weitem gedeckt. Die ersten Gewinne flossen auf das Konto der
Liga-Organisation und auf unsere Privatkonten, wie es in unserem Vertrag mit Jason festgelegt war.
„Ein Strohfeuer,“ sagte ich noch, als wir bereits die dritte Auflage auslieferten.
Edith kommentierte mit wissendem Lächeln: „Ich habe es von Anfang an gesagt. Howard Jason ist ein außergewöhnlicher Mensch. Er ist wahrhaftig der Mahaguru,
ein Adept der uralten Bruderschaft.“
Edith war eine gläubige Anhängerin Jasons geworden. Als die Liga wuchs und sich immer mehr Menschen um Jason drängten, genoss sie es über alle Maßen, mit
dem Mahaguru auf freundschaftlich vertrautem Fuß zu stehen. Jason mochte Edith sehr und achtete darauf, dass sie stets bei unseren Besprechungen dabei war.
Natürlich gab dies Zündstoff für unsere Ehe. Ich erinnere mich an nächtelange Diskussionen mit Edith, die sich meist aus beiläufigen Bemerkungen ergaben,
anfangs scherzend geführt wurden, sich in wachsende Erbitterung hineinsteigerten und nicht selten in Streit und Tränen endeten. Heute, aus dem Abstand der
Jahre betrachtet, zeigt sich diese unselige Verstrickung in klarem Licht: Edith war ergriffen von der Schattenmacht, die Jason lenkte und wollte ihre
Zweifel vor sich selbst verbergen, indem sie mich von Jasons Authentizität zu überzeugen versuchte. Ich hingegen unternahm alles, um klarzustellen, dass
Jason nur ein Hochstapler war, um die eigenen Zweifel an meiner lässigen Überlegenheit über die Liga zu zerstreuen. Wir suchten verzweifelt Bestätigung im
anderen und unsere Worte nahmen an Schärfe zu, je weiter ein Konsens in die Ferne rückte. War Edith anfangs noch bereit, gewisse Schwächen Jasons
einzugestehen, so erhob sie ihn im Verlauf unserer Streitgespräche in den Rang eines unfehlbaren Heiligen. War ich anfangs noch gewillt, eine kraftvolle
Faszination in Jason anzuerkennen, so erniedrigte ich ihn später zu einem notorischen Lügner und Scharlatan. Ich warf Edith blinden Fanatismus vor, sie mir
Skrupellosigkeit und Heuchelei, da ich mit den Schriften Howards satte Gewinne machte. Ich nahm mir vor, diesem Lügenspiel ein Ende zu bereiten und Jason
zur Rede zu stellen, doch in seiner Gegenwart verflog dieser Vorsatz jedes Mal. Ich zog mich stattdessen auf die trotzige Illusion zurück, innerlich über
alles erhaben zu sein.
Wir sahen Jason in dieser Zeit selten, telefonierten aber regelmäßig mit ihm. Er hatte sich in sein Apartment in Los Angeles verkrochen und schrieb an
weiteren Büchern. ‚Er arbeitet an mehreren Manuskripten gleichzeitig,‘ teilte Jane uns mit, die ihre Stelle in der Bibliothek aufgegeben hatte, um ganz im
Dienst an Jasons Lebenswerk aufzugehen. Die beiden hatten in der Zwischenzeit in aller Stille geheiratet. Edith und Ted waren Trauzeugen gewesen.
Die Einkünfte aus dem Verkauf von
Welten der Wahrheit
fluteten die Konten. In der esoterischen Szene der USA war der Name Howard Jason zum Begriff
geworden. Das Buch erschien nun auch in deutscher und französischer Übersetzung. Nach einer Weile drang der Erfolg des Buches so weit an die Oberfläche,
dass auch
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