Der Pakt
Schiff zu erfassen, sodass es sich für eventuelle deutsche U-Boote als Ziel förmlich anbot. Ich hatte noch nie viel von Mittelmeerkreuzfahrten gehalten. Aber wir hatten Glück.
Das Schiff ging schließlich in Oran vor Anker. Mike Reilly, der Chef des Secret-Service-Präsidentenschutzes, kam an Bord, um die Ausschiffung des Präsidenten zu überwachen. Nachdem die gesamte Besatzung an Deck angetreten war, wurde FDR in ein motorisiertes Rettungsboot auf der Backbordseite des Schiffs gehievt und zu Wasser gelassen, worauf das Boot zur Fallreepstreppe herumfuhr. Harry Hopkins und der Secret Service stiegen zu dem strahlenden Präsiden ins Boot.
Ich hatte ja gedacht, dass ich den festen Boden küssen wollen würde, sobald ich ihn betrat. Doch stattdessen schlug ich beinah der Länge nach hin. Es fühlte sich merkwürdig an, wieder an Land zu sein. Meine Beine hatten sich so sehr daran gewöhnt, die Bewegungen des Decks zu kompensieren. Aber vielleicht wankte ich auch nur, weil ich einfach ein bisschen betrunken war.
Ich hatte kaum Zeit für das Panorama der zweitgrößten Stadt Algeriens und ihres geschäftigen Hafens, wo die Briten unrühmlicherweise große Teile der französischen Flotte zerstört hatten. Ein amerikanischer Army-Sergeant mit Ohren wie Wiener Schnitzeln und einer Nase, die Ähnlichkeit mit einem Fahrradsattel hatte, fragte mich nach meinem Namen. Dann gab er mir einen Zettel mit zwei Nummern und dirigierte John Weitz und mich zu dem Wagen, der uns als Teil des Präsidentenkonvois zum fünfzig Meilen entfernten Army-Flugplatz von La Senia bringen sollte.
Es war neun Uhr morgens und schon so heiß wie in einem Ofen. Ich zog die Jacke aus und fächelte mir mit meinem Hut 279
Luft zu. Die Luft am Kai war schwer von den öligen Abgasen der Polizeimotorräder, die im Stand aufdrehten, weil sie es nicht erwarten konnten, den Präsidentenkonvoi durch die Straßen der eintausend Jahre alten Stadt zu eskortieren. Oran war der Inbegriff eines alten Seehafens, mit einer Festung und einer Kirche. Die Stadt erinnerte mich an ein südfranzösisches Küstenstädtchen, ganz nach dem Geschmack der Franzosen.
Deren einziges Problem war die Dreiviertelmillion algerischer Araber, die hier lebten. Alles wirkte zwar ganz friedlich, aber wir waren ja auch keine Franzosen.
John Weitz und ich fanden unseren Wagen. Der Fahrer, ein amerikanischer MP, salutierte und reichte uns ein paar amerikanische Zeitungen, einen Brief für Weitz und ein Telegramm für mich. Mein Herz machte einen wilden Satz. Der Fahrer war von der eifrigen Sorte und konnte es kaum erwarten, uns zu zeigen, wie gut er eine leere Wüstenstraße entlangfahren konnte. Er war rothaarig, rotgesichtig und rotäugig und sah aus, als hätte er getrunken, obwohl er stocknüchtern war. Das kam vom Wind und vom Sand. In Algerien gab es unendlich viel von beidem. Rotauge schaute an uns vorbei und erklärte, sobald Mr. Schmidt da sei, könne es losgehen.
»Der kommt nicht«, sagte ich. »Ich fürchte, er ist tot.«
»So ein Pech«, sagte Rotauge. »Was soll ich dann damit machen, Sir?« Der MP zeigte mir ein an Ted Schmidt adressiertes Telegramm.
»Das können Sie mir geben«, erklärte ich. »Und ich habe hier einen Brief an seine Witwe, den Sie bitte aufgeben könnten.«
Ich setzte mich hinten ins Auto, neben Weitz.
»Danke noch mal, dass Sie das gemacht haben«, sagte Weitz.
»Das mit dem Brief an seine Witwe. Wirklich sehr nett von Ihnen.«
»Nichts zu danken«, sagte ich.
280
Ich wartete, bis der Konvoi gestartet war, ehe ich mein eigenes Telegramm öffnete. Der Optimist in mir hatte gehofft, es wäre vielleicht von Diana. Aber es war von Donovan, der mir mitteilte, ich solle mich mit einem Major Poole, dem Mann des OSS in Tunis, treffen, noch am selben Nachmittag, im Café M’Rabet.
Schmidts Telegramm war vom Außenministerium. Es war vom Vortag, Freitag, dem 19. November, und ich las es mehrmals. Ted Schmidts Witwe war am Donnerstagnachmittag bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Die Straßen von Oran waren von amerikanischen Soldaten gesäumt, die strammstanden, als der Konvoi vorbeifuhr. Die Algerier hinter ihnen schienen dem mächtigsten Mann der Welt und seiner Eskorte gastfreundlich zuzuwinken. Ich bemerkte es kaum. Die Nachricht, dass nun auch die zweite Person, die Licht in die Mordsache Thornton Cole hätte bringen können, tot war, beschäftigte mich sehr.
»Schlechte Nachrichten?«, fragte Weitz.
»Anscheinend war Teds Witwe
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