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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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vorgestern in einen Verkehrsunfall verwickelt.«
    »O Gott. Ist ihr was passiert?«
    »Sie ist tot.«
    »Das ist ja entsetzlich. Was für eine schreckliche Tragödie.«
    Weitz schüttelte den Kopf. »Hatten sie Kinder?«
    »Nein.«
    »Na ja, wenigstens etwas.«
    Ich beugte mich vor, um mit Rotauge zu sprechen. »Sie brauchen den Brief doch nicht aufzugeben«, erklärte ich. »Den an Mr. Schmidts Witwe. Sie hatte offenbar einen tödlichen Autounfall.«
    »Das ist aber ein tragischer Zufall«, bemerkte Rotauge.
    »Ja, ist es«, sagte ich nachdenklich.
    281

    Ein Zufall? Vielleicht war Debbie Schmidts Unfall ja kein Unfall gewesen. Es konnte doch sein, dass auch sie umgebracht worden war, damit sichergestellt würde, dass Coles wahre sexuelle Präferenz nicht ans Licht kam. Was wiederum heißen konnte, dass ich jetzt sehr wahrscheinlich der einzige Mensch war, der wusste, dass Thornton Cole sein Leben keineswegs unter so skandalösen Umständen gelassen hatte, wie die Metro Police glaubte.
    Auf dem Flughafen La Senia standen ein halbes Dutzend amerikanische C-54 bereit, um uns die 653 Meilen nach Tunis zu fliegen. Und da erst, als ich alle auf dem Flugfeld versammelt sah, wurde mir klar, wie groß die amerikanische Delegation war, denn seit unserer Ankunft in Oran waren noch eine Menge Leute dazugekommen. Der Vereinigte Generalstab samt seiner Verbindungsoffiziere, Militärattachés, Secret-Service-Leute –
    alles stand Schlange, um an Bord der Maschinen zu gehen. Die Delegation würde sogar noch größer werden, wenn in Tunis und Kairo weitere Diplomaten dazustießen.
    Zu meiner Überraschung fand ich mich der ersten Maschine zugewiesen, zusammen mit dem Präsidenten, seinem persönlichen Leibwächter Mike Reilly und Harry Hopkins, neben den ich mich setzte.
    Reilly war ein glattgesichtiger, dunkelhaariger Mann mit Schlupflidern und dem harten Blick eines ehemaligen Schnapsschmugglers. Er kam aus Montana, hätte aber ebenso gut aus Connemara sein können, mit einem Hauch spanischer Armada im Blut. Er trug einen gut geschnittenen Flanell-Zweireiher und wich nie weit von Roosevelts rechtem Ohr, in das er gelegentlich etwas Wichtiges hineinflüsterte. Er hatte sein Jurastudium an der George-Washington-Universität abgebrochen, um für die Aufsichtsbehörde für Landwirtschaftskredite zu arbeiten und gegen betrügerische Kreditinstitute zu ermitteln.
    1935 war er zum Secret Service gegangen und seither immer beim Präsidentenschutz im Weißen Haus gewesen. Das erzählte 282

    mir Harry Hopkins, während wir im Flugzeug darauf warteten, dass Reilly und ein anderer Agent Roosevelt die Treppe herauftrugen.
    Sobald der Präsident an Bord war, schlossen sich die Türen, und die C-54 rollte zur Startbahn.
    »Wussten Sie, dass es in Iowa auch ein Oran gibt?«, fragte mich Hopkins, während die vier Pratt & Whitney-Motoren aufdrehten.
    »Iowa ist nämlich mein Heimatstaat. Waren Sie schon mal in Sioux City, Professor? Ich rate Ihnen, gehen Sie nie hin. Da ist absolut nichts los. Mein Vater war aus Bangor, Maine, und ging in den Westen, Gold suchen. Hat aber nie welches gefunden.
    Wurde stattdessen Sattler. Verstehen Sie was von Pferden?«
    Ich schüttelte wieder den Kopf.
    »Belassen Sie’s dabei. Unberechenbare Viecher. Dad kam in Chicago unter ein durchgegangenes Gespann und zog sich einen Beinbruch zu. War das Beste, was ihm passieren konnte. Er verklagte die Besitzer des Transportunternehmens, bekam zehntausend Dollar zugesprochen und kaufte sich davon eine Sattlerei in einem Nest namens Grinnell, Iowa. Fragen Sie mich nicht, warum er dorthin ging. Er hasste diesen Ort. Aber wir haben ihn trotzdem dort begraben.«
    Ich lächelte und begriff zum ersten Mal, warum FDR Hopkins gern um sich hatte. Außer dem trockenen Humor, den er offenbar mit dem Präsidenten teilte, hatte Harry Hopkins etwas ausgesprochen Bodenständiges.
    Dreieinhalb Stunden nach dem Abflug von La Senia erreichten wir den Militärflughafen El Aounia, etwa zwölf Meilen nordöstlich von Tunis. Es war noch keine acht Monate her, dass alliierte Truppen hier in der Gegend Rommel eine entscheidende Niederlage beigebracht hatten, und noch immer war das Flugfeld rechts und links der Rollbahn mit Flugzeugwracks übersät. Kein sonderlich beruhigender Anblick durchs Fenster 283

    eines Flugzeugs, das erst noch sicher landen musste, selbst wenn es deutsche Flugzeugwracks waren.
    Die C-54 des Präsidenten wurde bereits von dessen beiden Söhnen, Elliott und Franklin

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