Der Pakt
dass da irgendetwas war, was Donovan mir nicht sagte. Aber was?
Konnte es sein, dass die geheimen Friedensverhandlungen mit den Deutschen schon weiter gediehen waren, als Donovan durchblicken ließ?
»Wo findet Sextant Zwei denn nun statt?« Als ich Donovans Zögern bemerkte, setzte ich hinzu: »Oder muss ich Reichssender Berlin hören, um das zu erfahren?«
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»Ich habe von der Sache gehört.« Donovan lächelte. »Einer dieser Idioten vom Secret Service hat sich über Funk an mich gewandt, um ihre Aussagen zu überprüfen. Ein gewisser Pawlikowski. Als ob einer von meinen Leuten ein Spion sein könnte.«
Ich lächelte höflich und fragte mich, was Donovan wohl sagen würde, wenn er je erführe, dass ich einst für das NKWD
spioniert hatte.
»Dann macht es Ihnen doch sicher nichts aus, mir zu sagen, wo Sextant Zwei stattfinden wird.«
»Der Generalstab ist ein bisschen nervös wegen der Sicherheitslage hier in Kairo«, sagte Donovan. »Alle Welt weiß, dass der Präsident und Churchill hier sind. Es ist unabdingbar, dass nicht zu viele Leute unser nächstes Reiseziel kennen.«
»Aber mir werden Sie es doch verraten, oder?«
Donovan nickte. »Es ist Teheran.«
Ich zog eine verdutzte Grimasse. »Das kann nicht wahr sein.«
»Natürlich ist es wahr. Warum? Wie meinen Sie das?«
»Wer ist denn auf diese geniale Idee gekommen? Der Iran ist das deutschenfreundlichste Land im ganzen Nahen Osten, das meine ich. Der Vereinigte Generalstab muss verrückt sein.«
»Ich wusste gar nicht, dass Ihre Kenntnisse in Sachen Deutschland so weit nach Osten reichen«, bemerkte Donovan.
»Hören Sie, Sir, die Briten sind in den Iran – oder Persien damals noch – einmarschiert, um Russlands Hintertür zu sichern. Sie haben den vorigen Schah abgesetzt und seinen Sohn zum Nachfolger gemacht. Die Iraner hassen die Briten und sie hassen die Russen. Ich könnte mir keinen schlechteren Ort für die Konferenz der Großen Drei vorstellen.« Ich lachte ungläubig. »Teheran ist voll von Naziagenten.«
Donovan sagte achselzuckend: »Ich glaube, es war Stalins Wahl.«
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»Es gibt da eine paniranische neonazistische Bewegung, und laut unseren Quellen waren zwei Brüder des Ex-Schahs vor einiger Zeit in Deutschland, um Hitler dazu zu bringen, ihnen gegen die Briten zu helfen.«
Donovan schien immer noch ungerührt. »Im Iran stehen dreißigtausend Amerikaner und weiß Gott wie viele Briten und Russen. Ich meine doch, das ist mehr als genug, um die Sicherheit der Großen Drei zu gewährleisten.«
»Und in Teheran leben eine Dreiviertelmillion Iraner. Von denen nur sehr wenige in diesem Krieg auf unserer Seite stehen.
Und die Stammesgruppen im Norden des Landes sympathisieren allesamt mit den Nazis. Wenn das Stalins Vorstellung von Sicherheit ist, hat der Mann eine Schraube locker.«
»Soweit ich gehört habe, ist das durchaus der Fall. Aber machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Alle führenden Nazi-Sympathisanten sind verhaftet worden.«
»Hoffentlich haben Sie Recht, Sir.«
»Teheran ist so sicher wie das Shepheard hier«, insistierte Donovan.
Ich sah mich in der Long Bar um. Es stimmte, da waren so viele britische und amerikanische Uniformen, dass man sich fast schon in London wähnte.
»Also entspannen Sie sich«, sagte Donovan. »Schauen Sie sich die Sehenswürdigkeiten an. Vergnügen Sie sich. Im Mena House wird man Sie nicht groß benötigen. Es sei denn, Sie sprechen Chinesisch. Außerdem habe ich eine Aufgabe für Sie, während Sie hier sind. Sie haben doch diesen Koffer von General Strong mitgebracht?«
Mir rutschte das Herz in die Hose. »Ja, Sir. Er ist oben in meinem Zimmer.«
»Gut. Morgen fahren wir zu den Rostom Buildings. Dort ist das Kairoer Hauptquartier der Direktion für spezielle 306
Operationen und des britischen Geheimdienstes. Je eher wir mit diesem Bride- Material anfangen, desto besser.«
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MONTAG, 22. NOVEMBER 1943
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WINNIZA, UKRAINE
DIE WEHRMACHT HATTE GEHOFFT, der Rückzug ans Westufer des Dnjepr würde den Truppen eine Atempause verschaffen, aber Stalin hatte andere Vorstellungen. Kaum dass der Rückzug unter enormen Verlusten vollzogen war, befahl er seinen Soldaten den Angriff. Am 6. November bereits war Hoths Vierte Panzerarmee aus Kiew vertrieben. Ebenso erging es den Panzertruppen, die die Deutschen für einen Gegenangriff im achtzig Kilometer westlich von Kiew gelegenen Schitomir zusammengezogen hatten. Die deutschen Soldaten hatten
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