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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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zentralen Platz von Winniza voranging.
    Endlich sprang der Lkw an. Als er langsam anrollte, baumelten die sechs Partisanen am Galgen. Schellenberg sah angewidert weg und konzentrierte seine Gedanken auf das Unternehmen Großer Sprung. Wenn es glückte und die Großen Drei tot waren, würden die Alliierten mit Sicherheit Frieden schließen. Doch bis dahin würde er darauf hinwirken müssen, Himmler aus dem Weg zu schaffen, so wie Lina es gesagt hatte. Er nahm sich vor, von Winniza nach Rastenburg zu fliegen und, unter dem Vorwand, dem Führer melden zu wollen, dass das Unternehmen Großer Sprung abrufbereit war, mit Bormann zu reden.
    Aber Lina hatte ihm noch einen Rat gegeben. »Diese Ukrainer in deinem Sonderverband«, hatte sie erklärt, »die Zeppelin-Freiwilligen, falls es tatsächlich einigen von ihnen gelingt, aus Persien zurückzukehren, solltest du dafür sorgen, dass sie niemals reden können.«
    Sie hatte natürlich Recht. Je länger er über ihren Rat nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass, ganz gleich, was in Teheran geschah, diese Ukrainer allesamt verschwinden mussten. Nicht nur Himmler konnte ihm aus dem Unternehmen Großer Sprung einen Strick drehen. Auch die Alliierten konnten das. Er hielt es jetzt für das Beste, wenn es möglichst wenig Zeugen gab, die jemals über das reden konnten, was er in Gang gesetzt hatte.
    Endlich kam sein Fahrer wieder zurück. »Danke, Herr Brigadeführer«, sagte er, als er den Wagen anließ. »Hat gut getan zu sehen, wie diese Iwans gekriegt haben, was sie verdienen. Die Köpfe in dem Karton, Sie wissen ja, meine Kameraden. Die Iwans haben ihnen Nase, Ohren und Lippen abgeschnitten, bevor sie sie geköpft haben. Stellen Sie sich das mal vor.«
    313

    »Lieber nicht, Oberscharführer«, sagte Schellenberg. »Und jetzt fahren Sie endlich weiter, mir ist eiskalt.«
    Sie fuhren in nördlicher Richtung, auf einer Straße, auf der jede Menge deutsche Fahrzeuge unterwegs waren: Leichte Schützenpanzerwagen, Pumas, 37-Millimeter-PAKs, SdKfz-Mannschaftstransporter und, was Schellenberg, der es nicht gewöhnt war, so nah an der Front zu sein, am meisten beruhigte, auch eine Kolonne Panther. Mit seiner ausgezeichneten Panzerung und seinem 88-Millimeter-Rohr war der Panther wohl der beste Panzer der Welt. Wenn sie nur mehr davon hätten. Wenn sie nur nicht so viel Kraftstoff fressen würden.
    Wenn nur …
    Das Landhaus, in dem Schellenbergs Sonderkommando stationiert war, sah aus wie aus einem Tschechow-Stück.
    Inmitten von Kirschbäumen und dichtem Gesträuch stand ein geräumiges, hübsches, weiß getünchtes Holzhaus mit einer großen Veranda und einem Mansardendach. Sobald Schellenberg drinnen am lodernden Kaminfeuer saß und eine Tasse schönen, heißen Kaffee trank, bat von Holten-Pflug Hauptsturmführer Oster, seine Männer im Ballsaal zu versammeln. Schellenberg postierte sich unter einem prächtigen Kronleuchter in der Mitte des Saals und hielt eine Ansprache an die Männer. Es waren achtzig Ukrainer, zwölf deutsche SS-Offiziere und -Unteroffiziere sowie vierundzwanzig Luftwaffenoffiziere, die Transport- und Bombeneinsätze fliegen sollten. Die Männer, mit Ausnahme von Holten-Pflugs und Osters, erfuhren jetzt erstmals ihr Einsatzziel.
    »Meine Herren«, sagte Schellenberg. »In den letzten Wochen haben Sie sich alle auf Unternehmen Franz vorbereitet. Ich muss Ihnen jetzt sagen, dass Unternehmen Franz abgesagt wurde.«
    Im Saal erhob sich Stöhnen und Murren. Schellenberg musste lauter sprechen, um sich Gehör zu verschaffen.
    314

    »Die Wahrheit ist, dass Unternehmen Franz von vornherein fiktiv war. Was wirklich vor Ihnen liegt, ist Unternehmen Großer Sprung. Sie werden über dem Irak abspringen. Aber Ihr Ziel war nie eine Bahnlinie. Ihr Einsatzziel ist ein anderes, ein Ziel von ungeheurer historischer Bedeutung. Vielleicht das bedeutendste in der Geschichte überhaupt. Wenn Sie erfolgreich sind, werden Sie den Krieg gewinnen. Und glauben Sie mir, das ist keine Übertreibung.
    Heute Morgen habe ich über unsere Funkzentrale in Ankara eine Botschaft aus Wannsee erhalten. Sie kommt ursprünglich von einem unserer Agenten in Kairo. Diese Botschaft bestätigt, dass heute, am 22. November 1943, um neun Uhr fünfunddreißig Ortszeit, Franklin Roosevelt in Ägypten gelandet ist. Er wird die ganze Woche dort bleiben, um Gespräche mit Winston Churchill und General Tschiang Kaischek zu führen.
    Wir wissen aus verlässlicher Quelle, dass Roosevelt und Churchill am Sonntag,

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