Der Pakt
stieg, noch immer grimmig lächelnd, aus dem Wagen, um auf eines der Flugzeuge zuzugehen.
»Keine Sorge wegen Schkwarzew«, sagte Oster. »Er ist ein verdammt guter Kämpfer. Das sind sie alle. Sie waren bei Tscherkassy dabei und davor bei Belgorod. Ich habe sie in Aktion gesehen. Ich kann Ihnen sagen, sie sind ein Furcht erregender Haufe.«
»Ich habe gehört, dort war es ziemlich schlimm«, sagte Schellenberg und bot jedem der beiden deutschen 317
Gruppenkommandeure eine Hannover aus dem Vorrat an, den er aus Berlin mitgebracht hatte.
Oster lachte bitter. »Schlimm ist es überall«, sagte er. »Aber ich fürchte, das Schlimmste kommt noch. Nicht zuletzt die Kälte. Letzte Nacht hatte es zehn Grad unter null. Einer unserer Unteroffiziere, ein Bursche, der erst vor ein, zwei Monaten aus Italien zurückversetzt wurde, hat sich darüber beschwert. Wir haben alle nur gelacht. Im Januar wird das Thermometer auf minus fünfzig Grad fallen.«
»In Persien ist es wärmer«, sagte Schellenberg. »Das kann ich Ihnen versprechen.«
»Hoffentlich wird es nicht zu heiß«, sagte Oster.
»Wenn wir doch nur wüssten, dass das alles nicht nur elende Zeitverschwendung ist«, sagte von Holten-Pflug und zündete sich die Zigarette an. »Ich habe keine Lust, bei diesen Kaschgai herumzusitzen und darauf zu warten, dass irgendeine miese Ratte den Mut zusammenkratzt, uns an die Alliierten zu verraten. Ich hoffe, in der Kiste, die Sie aus Berlin mitgebracht haben, ist jede Menge Gold. Ich bin mir nämlich sicher, dass wir es brauchen werden.«
»In diesem Punkt war Himmler leider unerbittlich«, sagte Schellenberg. »Sie müssen warten, bis Sie den Namen des alten Schahs in den Nachrichten des Reichssenders Berlin hören, ehe Sie das Unternehmen fortführen.«
Schellenberg blickte den startenden Flugzeugen nach und fragte sich, ob er von Holten-Pflug und Oster je wieder sehen würde. Er bezweifelte es. Selbst wenn es ihnen gelang, die Großen Drei zu töten, würden die Alliierten ganz Persien auf den Kopf stellen, um die Attentäter zu finden. Wobei es vielleicht nicht ganz so schlimm war, wenn die Briten oder die Amerikaner sie erwischten. Aber es war gar nicht gut, wenn sie den Russen in die Hände fielen.
318
Am Nachmittag, im Flugzeug nach Rastenburg, schlief Schellenberg so gut wie schon lange nicht mehr. In dreitausend Meter Höhe gab es keine Fliegersirenen, nur das dumpfe, monotone Dröhnen der vier BMW-Motoren der Focke-Wulf Condor. Hoffmanns Versuch, ihn auf dem Flug nach Stockholm zu töten, war für ihn inzwischen nur noch eine ferne Erinnerung.
In einen dicken Lammfellfliegeranzug und, der großen Höhe und der Novemberkälte wegen, zusätzlich in Wolldecken eingemummelt, schlief Schellenberg durch, bis sie nach dem dreistündigen Eintausend-Kilometer-Flug in Weischnuren gelandet waren. Er war erfrischt und hungrig und freute sich ausnahmsweise richtig auf das Treffen mit dem Führer. Vom Abendessen ganz zu schweigen.
Doch zuerst stand noch die Unterredung mit Martin Bormann an.
Schellenberg traf den Sekretär des Führers in dessen Quartier, keine hundert Meter vom Führerbunker. Es war schwer zu sagen, wo Bormann eigentlich so plötzlich hergekommen war.
Acht Jahre, von 1933 bis 1941, war er so gut wie unsichtbar gewesen. Als rechte Hand von Rudolf Hess, aber erst nach der gescheiterten Englandmission des Führerstellvertreters im Mai 1941 hatte Bormann begonnen, sich bei Hitler unentbehrlich zu machen – zunächst als Leiter der Reichskanzlei, dann als Parteisekretär und schließlich als Hitlers Privatsekretär. Und doch waren er und Hitler alte Freunde, denn sie kannten sich schon seit 1926. Hitler war Bormanns Trauzeuge gewesen und hatte auch die Patenschaft für dessen ältesten Sohn übernommen.
Schellenberg kannte Bormann vor allem aus einer Geheimakte, die in seinem Safe lag, persönlich kannte er ihn kaum. Wobei außer dem Führer kaum jemand Bormann besonders gut kannte. Schellenberg aber wusste um den Dreck, den Bormann am Stecken am hatte: Er hatte zum Beispiel 1923
seinen ehemaligen Volksschullehrer umgebracht, einen 319
gewissen Walther Kadow. Bormann, damals im Freikorps (einer Art Vorläuferorganisation der SA), war wegen Mordes verhaftet, aber nur zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden, weil er zu seiner Verteidigung geltend gemacht hatte, Kadow habe den Nazimärtyrer Leo Schlageter an die französische Besatzungsmacht im Ruhrgebiet verraten. Nur Schellenberg und Bormann selbst
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