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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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eine ganze Menge über sich erzählt, will uns aber einfach nicht sagen, was er in der Nähe von Tunis zu suchen hatte. Wohin er wollte. Wie sein Auftrag lautete. Zuerst hat er gesagt, er sei auf dem Weg nach Ankara gewesen, dann aber in schlechtes Wetter geraten, das sie südlich hätten umfliegen müssen. Und dabei sei er dann von Ihren Leuten abgeschossen worden. Aber wir haben die Wetteraufzeichnungen überprüft, und siehe da: An dem Tag herrschten über Südeuropa und dem nördlichen Mittelmeer perfekte Flugbedingungen. Als ich das unserem Jerry erzählt habe – und das ist der Punkt, an dem Sie ins Spiel kommen –, wurde er plötzlich ganz zugeknöpft und hat mir nur erklärt, er müsse unbedingt jemanden aus der engeren Umgebung von Präsident Roosevelt sprechen. Er habe eine wichtige Botschaft, die er nur jemandem aus FDRs Delegation mitteilen könne. Sie sehen also, es ist wirklich eine glückliche Fügung, dass Sie umgekehrt unsere Hilfe brauchen. Wenn er erst mal seine geheimnisvolle Botschaft losgeworden ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass er nicht mit Ihnen kooperieren sollte.«
    »Ja, das klingt wirklich gut.«
    »Wenn’s Ihnen recht ist, spielen wir das Spiel, wie ich gesagt habe. Ich kriege den schwarzen Hut und Sie den weißen.«
    »Verstehe.«
    Unser Ziel war die Tolombat Street 10. Die britischen Offiziere nannten das Gebäude »Nummer zehn«, aber ansonsten kannte es fast jeder in Kairo als Grey Pillars, wegen der vier korinthischen Kolonnaden, die das stattliche Foyer umrahmten.
    Hier befand sich das Hauptquartier der britischen Armee in Ägypten, oder besser gesagt, es nahm inzwischen die ganze Straße ein, da es aus seinem ursprünglichen Sitz längst herausgewachsen war. Hinter den Glastüren fühlte man sich eher wie in einer Schweizer Bank als wie in einem Militärhauptquartier, was wahrscheinlich daher rührte, dass vor 336

    den Briten die Trientiner Versicherungsgesellschaft Assicurazo-ni hier residiert hatte.
    Deakin führte mich eine schlichte Marmortreppe hinab und zu einer Reihe improvisierter Gefängniszellen, bewacht von einem bebrillten Lance-Corporal, der eine Nummer von Saucy Snips studierte. Als er Major Deakin sah, legte er das obszöne Blatt hastig beiseite, riss sich die Brille herunter und stand stramm.
    Trotz eines riesigen Deckenventilators war die Hitze im Zellengang kaum zu ertragen.
    »Wie geht’s unserem Jerry?«, fragte Deakin.
    »Behauptet, ihm sei schlecht. Will dauernd zum Khazi.« Khazi war ein britischer Armee-Ausdruck für Klo.
    »Ich hoffe, Sie bringen ihn hin, Corporal. Er ist immerhin Offizier. Und zwar im Moment ein verflixt wichtiger.«
    »Ja, Sir. Keine Sorge wegen dem Jerry. Sir. Ich kümmere mich um ihn.«
    Der Lance-Corporal schloss die Zellentür auf und dort drinnen, auf einer eisernen Bettstatt, lag, nur in seiner Unterwäsche, der deutsche Offizier, der seine jüngsten Erlebnisse offenbar weitgehend unversehrt überstanden hatte.
    Major Reichleitner war ein massiger Mann mit kurzem blondem Haar und kornblumenblauen Augen. Er hatte ein feistes Kinn und dicke, rosige Lippen. Er erinnerte mich ein wenig an Reichsmarschall Göring. Als er seine beiden Besucher erblickte, schwang er die Beine aus dem Bett. Auch sie waren rosig, mit dichten, kurzen, blonden Haaren, wie ein Zuchtpärchen Chester-White-Schweine. Und sie rochen kaum besser. Er nickte freundlich.
    Ich lehnte mich an die Zellenwand und hörte geduldig zu, wie Deakin ein krudes, zwischen den Kiefern zermalmtes Deutsch sprach. Wahrscheinlich die Sorte Deutsch, die Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, bei den berühmten Unterhaltungen mit seinem Pferd gesprochen hatte. Nur die 337

    Franzosen sprachen noch schlechter Deutsch als die Engländer.
    Ich zündete mir eine Zigarette an und wartete auf das Verb am Ende des Satzes.
    »Das ist Major Willard Mayer. Er ist beim amerikanischen Geheimdienst OSS. Er ist als Mitglied von Präsident Roosevelts Delegation nach Kairo gekommen. Aber vorher, als ich ihm in London begegnet bin, war er Sonderbeauftragter des Präsidenten.«
    Trotz der Beteuerungen des Lance-Corporal, dass er für Major Reichleitners Wohl sorge, fand ich, dass der Mann eine Rasur und einen Kamm hätte gebrauchen können. Auf der einen Wange hatte er, wohl noch vom Abschuss, ein Brandmal, das seinem Aussehen etwas Kriegerisches gab.
    »Was kann ich für Sie tun, Major?«, fragte ich.
    »Ich möchte Sie ja nicht beleidigen, Major Mayer«, sagte Reichleitner. »Aber

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