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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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für einen Harvard-Mann tun kann.«
    Schmidt öffnete ein kleines Schränkchen neben seinem Bett.
    »Ich finde, darauf müssen wir einen trinken, Sie nicht?« Er nahm eine Flasche Mount-Vernon-Roggenwhiskey heraus, goss zwei Gläser voll, reichte mir eins und sagte: »Auf eine gute Reise, ohne dass wir ertrinken oder von einem Torpedo in die Luft gejagt werden.«
    Ich erhob mein Glas. »Und auf die Großen Drei.«
    Vom Rest dieses Tages weiß ich nicht mehr viel, nur dass Schmidt und ich schließlich voll waren wie die Strandhaubitzen.
    Ich fühlte mich schon besser, was das Geschehen letzte Nacht auf Dianas Teppich anging, oder anders gesagt, ich fühlte überhaupt nicht mehr viel. Schmidt trank wahrscheinlich doppelt so viel wie ich, zum einen, weil es sich schließlich um seinen Whiskey handelte, und zum anderen, weil er offensichtlich viel besser in Übung war. Er kippte das Zeug hinunter, als käme es direkt aus einer Kuh.
    Es gab keinerlei Brimborium, das die Ankunft des Präsidenten verkündet hätte. Als wir früh am Morgen aufwachten, merkten wir, dass das Schiff bereits auf See war, und da es unwahrscheinlich schien, dass die Iowa ohne ihn abgelegt hatte, schlossen wir daraus, dass Roosevelt irgendwann in der Nacht an Bord gekommen sein musste.
    225

    In dicke Mäntel gehüllt und verkatert, wie wir waren, stiegen wir aufs Erste Aufbautendeck hinauf, um einen besseren Blick auf die Iowa und ihre drei Geleitzerstörer zu haben. Es war ein empfindlich kalter Morgen, und der Wind von der rauen See her machte uns bald gehörigen Appetit. Wir gingen auf die Suche nach etwas Essbarem. In der Kapitänsmesse saßen bereits zwei Mitglieder des Vereinigten Generalstabs mit Harry Hopkins beim Frühstück, unter den wachsamen Blicken der vier Secret-Service-Agenten am Nebentisch.
    Hopkins, ein ausgemergelter Mann von Anfang fünfzig und sichtlich krebskrank – nachdem ihm der Krebs bereits Ehefrau und Vater genommen hatte –, sah von seiner kaum angetasteten Portion Eiern und Schinken auf und nickte uns leutselig zu.
    »Guten Morgen«, sagte er freundlich, während die Generäle Marshall und Arnold ihr intensives Gespräch fortsetzten.
    »Guten Morgen, Sir.«
    Hopkins in Fleisch und Blut vor mir zu sehen – dem bisschen Fleisch jedenfalls, das da noch war –, machte mir jäh bewusst, wie seltsam es war, dass ein Mann ohne Uniform und ohne offizielles Amt in Roosevelts Administration bei unserer Mission eine so wichtige Rolle spielen sollte. Außer dass er aus Sioux City, Iowa, stammte und Handelsminister gewesen war, wusste ich so gut wie nichts über diesen Menschen, der seit über drei Jahren in Lincolns einstigem Arbeitszimmer im Weißen Haus wohnte. Ich hatte schon dünnere Arme und knochigere Gesichter gesehen, aber, wenn ich darüber nachdachte, eigentlich nur auf Piratenflaggen. Die Hemdmanschetten hatten seine Hände fast völlig verschluckt. Sein pfeffer-und-salzfarbenes Haar war so trocken und leblos wie der Rasen vor einer bankrotten Pächtersfarm in Oklahoma. Die umflorten, dunklen, schmerzerfüllten Augen sahen aus, als hätte ihn soeben eine Klinge direkt unterm Herzen getroffen. Ein Zyniker hatte mal behauptet, Roosevelt halte sich Hopkins in seiner Nähe, um selbst gesund genug für seine Wiederwahl zu wirken.
    226

    Da der Präsident mir die Rolle des Ersatzmannes für diesen gebrechlichen, abgezehrten Menschen zugedacht hatte, hoffte ich, während der Reise Gelegenheit zu haben, Hopkins besser kennen zu lernen. Aber er kam mir zuvor.
    »Wer von Ihnen beiden ist Professor Mayer?«, fragte er. »Der Philosoph.«
    »Ich, Sir.«
    »Ich habe Ihr Buch gelesen«, sagte er lächelnd. Seine Zähne wirkten so regelmäßig, dass ich mich unwillkürlich fragte, ob sie wohl falsch waren. »Ich kann nicht behaupten, ich hätte es ganz verstanden. Ich war nie ein großer Intellektueller. Aber ich fand es …« Er zögerte. »Sehr kraftvoll. Und ich kann mir denken, dass es auch den anderen Philosophen gefällt, wenn ihnen einer der ihren sagt, wie wichtig sie alle sind.«
    »In dieser Hinsicht zumindest«, sagte ich, »unterscheiden sich Philosophen nicht von Politikern.«
    »Da haben Sie wohl Recht«, sagte er und lächelte wieder.
    »Setzen Sie sich, Professor.« Er wandte sein Lächeln Schmidt zu. »Sie auch, mein Sohn. Nehmen Sie sich Kaffee.«
    Wir setzten uns. Der Kaffee war erstaunlich gut und kam uns sehr zupass.
    »Noch mal kurz zu Ihrem Buch«, sagte Hopkins. »Ihren generellen Ansatz halte ich ja für

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