Der Pakt
richtig, aber im Detail, glaube ich, liegen Sie falsch. Ich bin zwar kein Philosoph, aber ich bin ein ziemlich guter Rommé-Spieler. Sehen Sie, Sie machen den Fehler, dass Sie jede Karte auf Ihrer Hand, die nicht so aussieht, als passte sie irgendwohin, für unnützen Ballast halten. Aber Ihre unnütze Karte kann für den anderen eine Folge oder einen Satz ergeben, und deshalb könnte es unklug sein, sie abzulegen.
Verstehen Sie, was ich meine?«
»Das kann schon sein«, sagte ich. Dann nahm ich Hopkins’
Metapher auf und fuhr fort: »Aber es muss ja unnütze Karten geben, sonst könnte man gar nichts ablegen. Und wenn man 227
nicht ablegen kann, geht das Spiel nicht weiter. Ihre Analogie gefällt mir, Sir, aber ich glaube, sie stützt eher meine Position als Ihre.«
»Dann sollten Sie wohl einfach klopfen«, grinste Hopkins. Er trank seinen Kaffee aus. »Sie beide spielen also? Rommé?«
Ted Schmidt schüttelte den Kopf. »Nur Bridge«, sagte er.
»Ach, das ist zu kompliziert für einen einfachen Burschen vom Land wie mich.«
»Ich spiele Rommé«, sagte ich.
»Dachte ich mir. Sehr gut. Wir werden später ein Spielchen machen.«
Hopkins erhob sich, nickte höflich in die Runde und verließ die Messe. Ein, zwei Minuten später folgten ihm die beiden Generäle, begleitet von Agent Rowley, sodass Schmidt und ich mit den restlichen drei Secret-Service-Agenten zurückblieben.
Kurz darauf entschuldigte sich auch Schmidt. Er sah aus, müsse er dringend die Fische füttern gehen.
Zwischen all den Uniformierten und den lässig gekleideten Akademikergestalten wie Schmidt und mir waren die drei Agenten in ihren billigen, dunklen Anzügen Fremdkörper. Unter dem White-House- Firnis waren sie einfach nur Cops, wenn auch mit etwas besseren Manieren und schärferen Rasierapparaten. In der Enge des Schiffs wirkten sie wie eingesperrt und kastriert.
Stählern, energisch und kraftvoll, wie sie waren, sahen sie so aus, als ob für sie das Balancieren auf dem Trittbrett einer Präsidentenlimousine oder die Untersuchung verdächtiger offener Fenster ebenso lebenswichtig war wie für mich ein gutes Buch und ein Mozart-Quartett.
»Was genau macht eigentlich ein Philosoph?«, fragte einer von ihnen. »Wenn die Frage gestattet ist.« Der Mann warf ein Päckchen Kool auf den Tisch und lehnte sich zurück.
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Ich nahm meine Kaffeetasse, ging an ihren Tisch hinüber und setzte mich. Einer der anderen beiden Agenten stopfte seine Pfeife mit einem biskuitfarbenen Daumen und starrte mich dummdreist an.
»Im Leben gibt es drei Sorten Fragen«, erklärte ich dem Mann.
»Da gibt es erstens die Wie-funktioniert-Feuer-Sorte Fragen.«
Ich nahm eine von seinen Zigaretten heraus, hielt die Flamme daran, ließ das Feuerzeug zuschnappen und schüttelte dann die restlichen Zigaretten auf den Tisch. »Dann gibt es die Wieviele-Zigaretten-sind-noch-übrig-Sorte Fragen. Zehn weniger eine macht neun, okay? Die meisten Fragen, die sich im Leben so stellen, fallen in eine dieser beiden Schubladen. Empirisch oder formallogisch.
Und die Fragen, die nicht darunter fallen, das sind die philosophischen Fragen. Wie zum Beispiel: ›Was ist Moral?‹
Philosophie fängt an, wenn man nicht weiß, wo man die Antwort suchen soll. Man fragt sich, welche Art von Frage das ist? Welche Art Antwort suche ich? Und könnte es sein, dass ich diese Frage doch noch in eine der beiden anderen Schubladen packen kann? Das, mein Freund, tun Philosophen.«
Die drei Agenten sahen sich mit skeptischen Mienen an und verkniffen sich das Grinsen. Aber für den ersten Agenten war unser kleiner sokratischer Dialog noch nicht beendet. »Und wie ist das mit der Moral?«, fragte er. »Zum Beispiel, wenn’s darum geht, im Krieg jemanden zu töten. Oder noch besser, wenn’s darum geht, Hitler zu töten. Die Moral sagt, Mord ist unrecht, stimmt’s? Aber mal angenommen, es geht um Hitler. Und mal angenommen, Sie hätten die Möglichkeit, Hitler zu töten und Tausende, ja, vielleicht Millionen Menschenleben zu retten.«
»Wenn ihr mich fragt, ist Stalin genauso schlimm wie Hitler«, sagte einer der anderen Agenten.
»Aber jetzt kommt das Problem«, fuhr der Mann fort. »Sie dürfen ihn nicht mit der Pistole erledigen. Sie müssen es mit 229
dem Messer tun oder vielleicht sogar mit bloßen Händen. Was machen Sie dann, hm? Ich meine, alles in Ihnen sagt doch, Sie müssen ihn umbringen, oder? Ihn töten, egal wie.«
»Man macht den Scheißkerl kalt«, sagte der dritte
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