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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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unfähigsten Scheiß-Schiffskommandanten halte, der mir in vierzig Navy-Jahren begegnet ist.«
    King wandte sich dem Präsidenten zu und setzte sich dabei die Mütze wieder auf. »Mr. President. Im Namen der Navy möchte ich mich bei Ihnen für das Geschehene entschuldigen, Sir. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich diesem Vorfall auf den Grund gehen werde.«
    »Ich würde sagen, wir wären beinah alle auf den Grund gegangen«, sagte Marshall. »Auf den Grund des Ozeans nämlich.«
    Als ich in meine Kabine zurückkehrte, saß Schmidt völlig verkatert auf der Bettkante. Er trug seine Schwimmweste und umklammerte eine neue Flasche Roggenwhiskey. »What Shall We Do with the Drunken Sailor«, fragte ich mich müde. Ihn das Tauende des Bootsmannsmaats kosten lassen, ihm den Bauch mit einem rostigen Rasiermesser rasieren oder ihn gar mit der 240

    Kapitänstochter ins Bett stecken, waren die Antworten, die mir mit dem Lied durch den Kopf gingen.
    »Was ist los?«, hickste Schmidt. »Ich habe es krachen hören.
    Werden wir beschossen?«
    »Nur von den eigenen Leuten«, tröstete ich ihn und erklärte ihm dann, was passiert war.
    »Gott sei Dank.« Schmidt fiel auf sein Bett zurück. »Wäre typisch mein Pech, auch noch von den eigenen Leuten getötet zu werden. Zu allem anderen.«
    Ich nahm Schmidt die Flasche ab und goss mir einen Drink ein. Nach der Kälte oben auf der Brücke brauchte ich etwas Wärme von innen. »Möchten Sie drüber reden?«
    Schmidt schüttelte selbstmitleidig den Kopf.
    »Hören Sie, Ted, das muss aufhören. Sich einen hinter die Binde zu kippen, ist eine Sache. Sich besinnungslos zu saufen eine ganz andere. Die Russen mögen es Ihnen ja vielleicht verzeihen, wenn Sie bei der Konferenz der Großen Drei wie eine Schwarzdestille riechen, aber ich glaube nicht, dass der Präsident es tun wird. Was Sie jetzt brauchen, ist eine Rasur und eine Dusche, um sich die Fahne aus dem Gesicht zu schrubben.
    Ich schwör’s Ihnen, jedes Mal, wenn Sie ausatmen, bin ich halb auf dem Mount Vernon. Und danach sehen wir zu, dass Sie eine Tasse schönen, starken Kaffee und ein bisschen frische Luft kriegen. Kommen Sie. Ich halte Ihnen auch den Waschbeutel.«
    »Vielleicht haben Sie ja Recht.«
    »Mit Sicherheit habe ich Recht. Wenn wir an Land wären, hielte ich es für meine Pflicht, Ihnen eine aufs Maul zu geben und Sie in Ihrem Zimmer einzusperren. Aber da wir auf See sind, werden wir einfach sagen, Sie sind seekrank. Das ist auf See etwas absolut Ehrbares. Außerdem gibt es hier Männer, nüchterne Männer, die Zerstörer befehligen und noch viel unfähiger sind als Sie, Ted.«
    241

    Als Schmidt sich gesäubert und umgezogen hatte, gingen wir nach vorn. In der Messe befand sich nur ein einziger Mann, ein schlanker, athletischer Typ mit einer Yale-Fliege, der einen Pullover mit V-Ausschnitt und einer Halbbrille trug. Seine graue Flanellhose hatte messerscharfe Bügelfalten. Sein Haar war kurz geschoren und silbergrau, und in der Hand hielt er ein Buch, so dick wie ein Autoreifen. Ich konnte den Titel erkennen: Er lautete Der ewige Quell. Der Typ hatte etwas Reserviertes und schien von unserem Erscheinen etwa so begeistert wie ein Chinese, der in der Verbotenen Stadt einen Hundehaufen findet.
    Schmidt machte uns miteinander bekannt.
    »Das ist John Weitz«, sagte er.
    Ich nickte und lächelte höflich. Ich konnte diesen Mann spontan nicht ausstehen. Weitz nickte ebenfalls und stieß eine kleine Rauchwolke aus, so als wollte er signalisieren, dass er uns ebenfalls nicht besonders freundlich gesinnt war.
    »John ist der zweite Russlandspezialist vom Außenministerium«, setzte Schmidt hinzu.
    Diese Bemerkung provozierte eine gewisse Ungehaltenheit auf Seiten John Weitz’. Nur ein erster Vorgeschmack, wie ich merken sollte.
    »Können Sie sich so was vorstellen?«, sagte Weitz zu mir.
    »Hm? Können Sie sich so was vorstellen? Das wichtigste diplomatische Ereignis des Jahrhunderts, und nur zwei Männer vom Außenministerium sind dabei.«
    Ich wusste ja bereits, was Harry Hopkins vom Außenministerium hielt. John Weitz schien mir jedoch kaum der richtige Mann zu sein, um das Ministerium in Hopkins’ Augen zu rehabilitieren.
    »Mir scheint«, sagte Schmidt, »der Präsident hat zwar einen Hund, will aber partout selbst mit dem Schwanz wedeln.«
    Weitz nickte wütend. Die demonstrative Einigkeit der beiden Russlandspezialisten erstreckte sich jedoch offenbar nicht auf 242

    die Frage, wie die Russen als Verbündete

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